Der rote Hahn

Der rote Hahn

Einband:
Taschenbuch
EAN:
9783442728428
Untertitel:
Dresden im Februar 1945
Genre:
Sachbücher Geschichte
Autor:
Walter Kempowski
Herausgeber:
BTB Tb.
Anzahl Seiten:
384
Erscheinungsdatum:
01.01.2001
ISBN:
978-3-442-72842-8

Am 13. und 14. Februar 1945 wird Dresden durch alliierte Bombenangriffe zerstört, 35.000 Menschen kommen ums Leben. Mit seiner Collage aus authentischen Dokumenten gemahnt Walter Kempowski an diese traumatische kollektive Erfahrung.

Aus einer Fülle von Briefen, Tagebüchern, Aufzeichnungen namenloser und prominenter Zeitgenossen, aus Bildern und Dokumenten hat Walter Kempowski in jahrelanger Arbeit sein monumentales "Echolot" geschaffen. Eine bis dahin noch nie geleistete Rekonstruktion von Alltagsgeschehen und historischen Ereignissen einer besonders dramatischen Epoche der deutschen Geschichte, die bei ihrem Erscheinen für Furore sorgte. Und Kempowski arbeitete weiter an seiner gewaltigen Collage, im Herbst 1999 erschien der zweite Teil des "Echolots", die "Fuga furiosa", deren Schlusspunkt die Bombardierung Dresdens bildet. Wie wohl kaum ein zweites Ereignis der deutschen Geschichte hat sich diese traumatische Erfahrung in das kollektive Gedächtnis der Nation eingegraben. Walter Kempowski nimmt dies zum Anlass, um in dem Band "Der rote Hahn" die Quellen zum 13. und 14. Februar 1945 um neues Material ergänzt zu präsentieren.

Autorentext
Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn eines Reeders in Rostock geboren. Er besuchte dort die Oberschule und wurde gegen Ende des Krieges noch eingezogen. 1948 wurde er aus politischen Gründen von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen wurde Walter Kempowski entlassen. Er studierte in Göttingen Pädagogik und ging als Lehrer aufs Land. Seit Mitte der sechziger Jahre arbeitete Walter Kempowski planmäßig an der auf neun Bände angelegten "Deutschen Chronik", deren Erscheinen er 1971 mit dem Roman "Tadellöser & Wolff" eröffnete und 1984 mit "Herzlich Willkommen" beschloss. Kempowskis "Deutsche Chronik" ist ein in der deutschen Literatur beispielloses Unternehmen, dem der Autor das mit der "Chronik" korrespondierende zehnbändige "Echolot", für das er höchste internationale Anerkennung erntete, folgen ließ.

Walter Kempowski verstarb am 5. Oktober 2007 im Kreise seiner Familie. Er gehört zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. Seit 30 Jahren erscheint sein umfangreiches Werk im Knaus Verlag.

Leseprobe
ASTNACHT

Dr. Theodor Morell 1886-1948 Berlin/Reichskanzlei
13.35 Uhr mittags: Traubenzucker und Betabion forte i.v. - Fhrer ist etwas eigenartig zu mir, kurz und in vererter Stimmung.

Adolf Hitler 1889-1945 Berlin
Politisches Testament
Es ist das Verdienst des Nationalsozialismus, daer zum ersten Mal die jdische Frage realistisch angepackt hat.
Die Juden haben den Antisemitismus immer selbst ausgelst. Im Laufe der Jahrhunderte reagierten die nichtjdischen Vlker, von den yptern bis zu uns, auf die gleiche Art. Es kommt ein Augenblick, da sie der Ausbeutung durch den jdischen Betrger mde werden. Dann geraten sie in Erregung, wie ein Tier das Ungeziefer abschttelt. Sie reagieren immer heftiger und zuletzt kommt es zur Emprung. Es ist dies eine Art instinktiver Abwehrreaktion, eine Reaktion der Abneigung gegenber dem Fremden, der sich nicht anpa, sondern der Verschmelzung widersetzt, der sich abschlie und zugleich aufdrt, der einen ausntzt. Der Jude ist seinem Wesen nach der Fremde, der sich nicht angleichen kann und nicht angleichen will. Darin unterscheidet er sich von den anderen Fremden: er beansprucht Rechte als Glied der staatlichen Gemeinschaft und bleibt doch ein Jude. Er h es fr ein ihm zustehendes Recht, solcherart eine Doppelrolle zu spielen, und steht mit dieser Unverfrorenheit in der Tat einzig da in der Welt.
Die Lage in Ostpreun ist geradezu frchterlich geworden. Wir knnen unsere Trecks kaum noch bewegen; sie liegen fest und es stehen auch nur ungengend Nahrungsmittel zur Verfgung, um sie zu ernen. Das Fiasko der ostpreuschen Trecks wird hauptslich der Partei in die Schuhe geschoben, und man schimpft auf die Parteifhrung in Ostpreun nach Strich und Faden. Ich glaube auch, daTeile der ostpreuschen Partei ihrer Aufgabe nicht gewachsen gewesen sind. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dader Einbruch in Ostpreun so pltzlich kam, daman die Menschen gar nicht mehr wegfhren konnte.
Die Truppe ist auch in Ostpreun stark angeschlagen. Ich entnehme das einem Bericht von Heysing, der gerade aus dem ostpreuschen Raum nach Berlin gekommen ist. Vor allem hat die Truppe aurordentlich schwere Blutverluste erlitten, was natrlich immer sehr deprimierend auf die Moral wirkt.

Dr. Rudolf Semler 1913
Berlin/Propagandaministerium
Der Luftkrieg wird immer schrecklicher. Hitler hat noch keine einzige der bombardierten Ste besucht; er hat in Berlin vielleicht die Strecke vom Anhalter Bahnhof bis zur Reichskanzlei gesehen - mehr nicht. Die Leute in seiner Umgebung sagen, daer nie Berichte ber die zerstrten Ste liest.
Krzlich schickte ihm Goebbels ein Album mit Fotografien von zerstrten und beschgten Denkmrn und berhmten Geben. Bormann sandte das Album zurck mit einer Notiz, die besagte, dader Fhrer nicht mit derartig belanglosen Angelegenheiten beligt werden mchte.
Hitlers irrsinnige Hoffnung, dadie Feinde sich untereinander zerstreiten, ehe sie Deutschland verwsten, l ihn mit voller erzeugung weitermachen. Der Urheber dieser Theorie ist natrlich Goebbels. Die Spannungen zwischen den Alliierten ermuntern zu diesem weit verbreiteten und sehr beliebten Glauben.

Joseph Goebbels 1897-1945 Berlin
Er wirkt geradezu aufreizend, wenn in Moskau erkl wird, die sowjetische Soldateska habe sich im deutschen Reichsgebiet keinerlei Greueltaten zuschulden kommen lassen, im Gegenteil, ihre Disziplin brge fr ein humanes Auftreten; sie verteidige nicht nur das Vaterland, sondern auch die menschliche Wrde. Wort und Papier sind geduldig; aber wie die Sowjets es mirauchen, das berschreitet alle bisherigen Vorstellungen. Dadie blutrnstigste Diktatur, die es je in der Geschichte gegeben hat, sich mit einem derartigen liberalhumanitn Phrasement umgeben kann, das steht in der Weltgeschichte einzig da.
Aurdem berichten die sowjetisch[e]n Nachrichten[b]ros, daunsere Bevlkerung in den besetzten Ostgebieten sich vorerst einmal an die bolschewistische Soldateska heranzuschmein versuche. Sie wende sich in schster Form gegen den Nationalsozialismus, und die Ostarbeiter versuchten in den verschiedenen Sten, besonders aber auf dem Lande die Herren ber die Deutschen zu spielen. Ich halte diese Meldungen gelinde gesagt fr leicht bertrieben. Ich kann mir vorstellen, daunsere Bevlkerung in den besetzten Ostgebieten vielfach von Angst und Schrecken befallen ist; dasie dabei aber ihre Wrde verliert, das ist fr mich unvorstellbar. []
Am Abend kommt dann das Kommuniquber die Dreierkonferenz, die nach einem Vorschlag Stalins die Konferenz von Jalta genannt wird. Man annonciert uns in diesem Kommuniquie ststen militschen Schl, und zwar sowohl im Osten wie im Westen wie im Norden wie im Sden. Die Bedingungen des Friedens, ja des Waffenstillstands, sollen uns erst nach der militschen Niederlage des Reiches mitgeteilt werden. Die drei Mte hen sich darber geeinigt, in festen Zonen das deutsche Reichsgebiet zu besetzen. Zur Abrstung des Reich[es un]d zur Vernichtung seiner Kriegsindustrie soll eine zentrale interalliierte Kontrollkommission eingesetzt werden, die ihren Sitz in Berlin hat. Frankreich soll ebenfalls an der Besetzung eines bedeutenden Reichsgebietes beteiligt werden. Deutschland werde seine Streitkre entwaffnen und seinen Generalstab auflsen mssen. Das letztere wrde ja nicht das Schlimmste sein; das hatten wir ja sowieso vor; wenn das die einzige Bedingung w, die die Feindstaaten stellten, dann w darauf allein einzugehen. Im brigen hen die Feindstaa[ten di]e Absicht, unsere gesamte militsche Ausrstu[ng z]u zerstren; die deutsche Industrie me unter Kontrol[le ge…


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