Kafka am Strand

Kafka am Strand

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783442733231
Untertitel:
Roman
Genre:
Historische Romane & Erzählungen
Autor:
Haruki Murakami
Herausgeber:
btb Taschenbuch
Anzahl Seiten:
640
Erscheinungsdatum:
06.03.2006
ISBN:
978-3-442-73323-1

Dieses Buch ist der ungewöhnlichste Entwicklungs- und Liebesroman, den wir bisher von Japans Kultautor gelesen haben: zeitlos und ortlos, voller Märchen und Mythen, zwischen Traum und Wirklichkeit - und dabei voller Weisheit. Kafka am Strand ist in Japan seit seinem Erscheinen ein Bestseller.

Der 15-jährige Kafka Tamura reißt von zu Hause aus und flüchtet vor einer düsteren Prophezeiung seines Vaters auf die Insel Shikoku. Seine abenteuerliche Reise führt ihn in eine fremde Stadt, wo er der faszinierenden Bibliotheksleiterin Saeki begegnet und ihr verfällt. Er macht die Bekanntschaft mit einem geheimnisvollen alten Mann, der mit Katzen sprechen kann, und gleitet ab in eine fremde, seltsame Welt. Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? Wo endet diese Reise voller rätselhafter Begegnungen und labyrinthischer Wege?

"Der hinreißende Roman des japanischen Bestsellerautors Haruki Murakami: Realsistische Absurditäten, vieldeutige Bilder, philosophische Blicke in fantastische Innenwelten."

Autorentext
Haruki Murakami, geboren 1949 in Kyoto, ist der international gefeierte und mit den höchsten japanischen Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen. Sein Roman "Gefährliche Geliebte" entzweite das Literarische Quartett, mit "Mister Aufziehvogel" schrieb er das Kultbuch seiner Generation. Ferner hat er die Werke von Raymond Chandler, John Irving, Truman Capote und Raymond Carver ins Japanische übersetzt.

Leseprobe
Der Junge namens Krähe

»An Geld bist du jetzt auch irgendwie gekommen, ja?«, sagt der Junge namens Krähe in seiner üblichen, etwas schwerfälligen Sprechweise, als wäre er gerade aus dem Tiefschlaf erwacht und als funktionierten seine Sprechmuskeln noch nicht richtig. Aber das ist reine Attitüde, in Wirklichkeit ist er hellwach. Wie immer. Ich nicke.
»Wie viel ungefähr?«
Ich überschlage die Summe noch einmal im Kopf. »Ungefähr 400 000 in bar. Außerdem kann ich noch ein bisschen mit der Karte vom Bankkonto ziehen. Natürlich wird das nicht ewig reichen, aber für den Anfang geht's doch, oder?«
»Nicht schlecht«, sagt Krähe. »Für den Anfang ...« Ich nicke.
»Aber das ist doch nicht das Geld, das dir der Weihnachtsmann letztes Jahr gebracht hat, oder?« »Nein«, sage ich.
Krähe verzieht ironisch die Lippen und sieht sich um. »Es stammt aus irgendjemandes Schublade hier - könnte das sein?«
Ich gebe keine Antwort. Natürlich weiß er ganz genau, woher das Geld kommt. Er braucht gar nicht so drumherum zu reden. Das tut er nur, um mich aufzuziehen.
»Schon gut«, sagt Krähe. »Du brauchst ja Geld. Dringend. Irgendwie musstest du es ja in die Finger bekommen. Leihen, erschwindeln, stehlen ... egal wie. Es gehört doch sowieso deinem Vater. Für den Anfang wirst du schon zurechtkommen. Aber was gedenkst du zu tun, wenn die 400 000 aufgebraucht sind? Geld wächst nicht von alleine im Portemonnaie nach wie Pilze im Wald. Du musst essen und irgendwo schlafen. Irgendwann ist es dann alle.«
»Das überlege ich mir, wenn es so weit ist«, sage ich. »Das überlege ich mir, wenn es so weit ist«, äfft Krähe mich nach und breitet die Handflächen aus, wie um das Gewicht meiner Worte zu ermessen. Ich nicke.
»Zum Beispiel Arbeit suchen oder was?« »Vielleicht.«
Krähe schüttelt den Kopf. »Dazu musst du das Leben erst mal besser kennen. Wie soll denn ein fünfzehnjähriger Junge in einer fremden Gegend einen Job finden? Du hast ja nicht mal die Schule abgeschlossen. Wer wird so jemanden schon einstellen?«
Ich erröte ein bisschen. Ich werde immer gleich rot. »Ist ja schon gut«, sagt Krähe. »Außerdem bringt die ganze Schwarzseherei nichts, wenn man noch nicht mal angefangen hat. Du hast dich entschieden, jetzt musst du deinen Entschluss in die Tat umsetzen. Schließlich ist es dein Leben. Konkret bleibt dir nichts anderes übrig, als das zu tun, was du vorhast.« Genau, immerhin ist das mein Leben. »Aber vor allem musst du jetzt stark werden.« »Ich gebe mir Mühe.«
»Stimmt«, sagt Krähe. »In den letzten Jahren bist du ganz schön kräftig geworden. Das kann ich nicht leugnen.« Ich nicke.
»Allerdings bist du erst fünfzehn«, sagt Krähe. »Dein Leben hat, gelinde ausgedrückt, gerade erst begonnen. Die Welt ist voll von Dingen, denen du noch nie begegnet bist. Von denen du überhaupt noch keine Vorstellung hast.«
Wie üblich sitzen wir nebeneinander auf dem alten Ledersofa im Arbeitszimmer meines Vaters. Krähe schätzt diesen Raum sehr. Er liebt die kleinen Gegenstände, die es hier gibt. Gerade spielt er mit einem gläsernen Briefbeschwerer, der die Form einer Biene hat. Natürlich lässt er sich nicht blicken, wenn mein Vater zu Hause ist.
»Eins steht jedenfalls fest«, sage ich, »ich muss hier raus. Daran ist nicht zu rütteln.«
»Mag sein«, pflichtet Krähe mir bei. Er legt den Briefbeschwerer auf den Tisch und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. »Aber das ist keine Lösung für alles. Ich will deinen Entschluss nicht ins Wanken bringen, aber ich weiß nicht, ob du dem Ganzen wirklich entkommen kannst, auch wenn du noch so weit fährst. Du solltest dir nicht allzu viel von der Entfernung versprechen.«
Ich denke über die Entfernung nach. Krähe drückt sich seufzend die Fingerkuppen auf beide Augenlider. Dann spricht er mich aus dem Dunkel seiner geschlossenen Augen an. »Spielen wir unser Spiel?«
»Einverstanden.« Ich schließe ebenfalls die Augen und atme langsam und tief ein.
»Also gut, stell dir einen grausamen Sandsturm vor«, sagt er. »Und vergiss alles andere.«
Wie geheißen, stelle ich mir einen tobenden Sandsturm vor. Und vergesse alles andere. Sogar mich selbst. Ich werde völlig leer. Sofort taucht er vor mir auf. Wie schon so oft erleben Krähe und ich so etwas gemeinsam auf dem alten Ledersofa im Arbeitszimmer meines Vaters.
Hin und wieder hat das Schicksal Ähnlichkeit mit einem örtlichen Sandsturm, der unablässig die Richtung wechselt, erklärt mir Krähe.
Hin und wieder hat das Schicksal Ähnlichkeit mit einem örtlichen Sandsturm, der unablässig die Richtung wechselt. Sobald du deine Laufrichtung änderst, um ihm auszuweichen, ändert auch der Sturm seine Richtung, um dir zu folgen. Wieder änderst du die Richtung. Und wieder schlägt der Sturm den gleichen Weg ein. Dies wiederholt sich Mal für Mal, und es ist, als tanztest du in der Dämmerung einen wilden Tanz mit dem Totengott. Dieser Sturm ist jedoch kein beziehungsloses Etwas, das irgendwoher aus der Ferne heraufzieht. Eigentlich bist der Sandsturm du selbst. Etwas in dir. Also bleibt dir nichts anderes übrig, als dich damit abzufinden und, so gut es geht, einen Fuss vor den anderen zu setzen, Augen und Ohren fest zu verschliessen, damit kein Sand eindringt, und dich Schritt für Schritt herauszuarbeiten. Vielleicht scheint dir auf diesem Weg weder Sonne noch Mond, vielleicht existiert keine Richtung und nicht einmal die Zeit. Nur winzige, weisse Sandkörner, wie Knochenmehl, wirbeln bis hoch hinauf in den Himmel. So sieht der Sandsturm aus, den ich mir vorstelle.
Ich stelle mir diesen Sandsturm vor. Ein bleiche Windhose steigt in den Himmel wie ein dickes gerades Seil. Mit beiden Händen halte ich mir Augen und Ohren zu, damit die winzigen Sandkörner nicht in meinen Körper eindringen. Der Sandsturm rast auf mich zu, sodass ich den Luftdruck schon von weitem auf meiner Haut spüren kann. Schon droht er, mich zu verschlingen.
Nach einer Weile legt Krähe sacht seine Hand auf meine Schulter. Der Sandsturm verebbt, doch ich halte die Augen weiter geschlossen.
»Von nun an musst du der stärkste fünfzehnjährige Junge auf der Welt werden. Komme, was wolle. Eine andere Überlebenschance hast du nicht. Du musst begreifen, was Stärke wirklich bedeutet. Verstehst du?«
Ich antworte nicht. Am liebsten würde ich, seine Hand auf meiner Schulter, behaglich einschlafen. Ich spüre einen sanften Flügelschlag an meinem Ohr.
»Von nun an wirst du…


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