Briefwechsel 1952-1967

Briefwechsel 1952-1967

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783608913187
Untertitel:
Deutsch
Genre:
Briefromane & Tagebücher
Autor:
Martin Heidegger, Ludwig von Ficker
Herausgeber:
Klett-Cotta Verlag
Auflage:
1. Aufl. 2004
Anzahl Seiten:
176
Erscheinungsdatum:
10.03.2004
ISBN:
978-3-608-91318-7

Anläßlich einer Gedenkfeier lernten sich 1952 Martin Heidegger und Ludwig von Ficker, Publizist, väterlicher Freund, entscheidender Förderer des jungen Dichters Georg Trakl und Herausgeber der Zeitschrift »Der Brenner«, auf der Bühlerhöhe bei Baden-Baden kennen. Die Begegnung hinterließ bei beiden einen tiefen Eindruck und mündete in einen Briefwechsel, der bis 1967, dem Todesjahr Ludwig von Fickers, geführt wurde und hier zum erstenmal kommentiert veröffentlicht wird. Die Briefe belegen, wie vertraut beide mit Trakls Werk waren und wie sehr sie sich gegenseitig schätzten.
Briefe und persönliche Begegnungen sowie Heideggers Laudatio bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Ludwig von Ficker zeugen von einer herzlichen Beziehung. Besonders zu erwähnen ist der Beitrag »Der Abschied«, in dem Ludwig von Ficker die letzten Wochen Georg Trakls, ihre letzte Begegnung und den Tod des jungen Dichters ergreifend schildert.

Autorentext
Ludwig von Ficker (1880 - 1967), Herausgeber der Zeitschrift »Der Brenner« (1910 - 1954), in der dichterische, philosophische und theologische Beiträge erschienen, die das Geistesleben entscheidend prägten. Förderer der literarischen Avantgarde, pflegte Kontakt mit Martin Heidegger ebenso wie mit Theodor W. Adorno, Günther Anders und Gabriel Marcel.

Leseprobe
Vorwort I. Am 4. und 5. Oktober 1952 fand zu Ehren des Dichters Georg Trakl eine Gedenkfeier in dem von Gerhard Stroomann geführten Kurhaus Bühlerhöhe bei Baden-Baden statt, wo in Vortragsreihen seit 1949 über die großen Fragen der Zeit gesprochen wurde und bei denen Heidegger mehrmals vortrug . Bei diesem Anlass lernten sich Ludwig von Ficker und Martin Heidegger kennen. Diese erste Begegnung zwischen dem damals 72-jährigen Ficker und dem um neun Jahre jüngeren Heidegger hatte bei beiden einen tiefgreifenden Eindruck hinterlassen. Es war der Beginn einer aufrichtigen Freundschaft, die in der gemeinsamen Sorge um die Zukunft und im beidseitigen Hingezogensein zum dichterischen Schaffen Georg Trakls sichtbar wurde. Das Werk des Dichters bildet zwischen den beiden einen steten Bezugspunkt, um den auch der Altersbriefwechsel kreist. Auf der Bühlerhöhe hielt Heidegger den Vortrag "Georg Trakl, eine Erörterung seines Gedichts" , den Ficker überaus zustimmend aufnahm. Er freute sich besonders darüber, dass Heidegger seinen Ausführungen eine biographische Notiz voranstellte, die seine Wertschätzung für die Zeitschrift Der Brenner bezeugte: Zuerst ein persönliches Erlebnis: 1912 wurde ich durch die damalige Nummer des "Brenner" mit den ersten Gedichten Trakls bekannt. 1913 kaufte ich mir die ersten Trakl-Gedichte und seither begleiten sie mich ständig. Ficker gab über vier Jahrzehnte (1910-1954) alleinverantwortlich die Zeitschrift Der Brenner heraus, in der vor dem Ersten Weltkrieg regelmäßig Gedichte von Trakl erschienen waren. Von der ihm entgegengebrachten Hochachtung sichtlich überrascht, schilderte Ficker am 8. Oktober seiner Vertrauten Paula Schlier die Ereignisse auf der Bühlerhöhe: Ja, auf der Bühlerhöhe war es sehr schön. Ich bin in der Tat in einer Art gefeiert worden, wie ich es mir nie hätte träumen lassen, und ich war wie aus den Wolken gefallen über die Aufmerksamkeit, die man mir dort erwiesen hat. Die ganze Feier war vorzüglich gelungen. Heideggers Trakl-Interpretation [...] war wirklich eine Durchleuchtung seines Gedichts vom Schlüsselpunkt seines Satzes "Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden" und von der Betonung her, was Abgeschiedenheit bei Trakl bedeutet. Einleitend schickte H[eidegger] persönliche Bemerkungen voraus, wie ihm im Jahre 1912 als Student der Brenner mit den Gedichten Trakls in die Hände fiel und wie ihn beide bis heute begleitet hätten. Schon da erwies er mir eine Aufmerksamkeit, die mich rührte. Am Sonntag vormittag [...] mußte ich mich doch auch zu einer kleinen Stegreifansprache entschließen (der ersten in meinem Leben!), sie hat aber merkwürdigerweise den Leuten Eindruck gemacht und auch Heidegger (wie mir Birgit [von Schowingen, Tochter Fickers, Anm. MF] sagte, die ihn aus der Nähe beobachtete) so gerührt, daß er Thränen in die Augen bekam. (Ficker (1996), 230) Auch an Ludwig Hänsel, einen sehr engen Freund Wittgensteins, der mit diesem als Kriegsgefangener des Ersten Weltkriegs in Monte Cassino interniert gewesen war, schrieb Ficker am 9. Dezember 1952 über die Begegnung mit dem Philosophen. Neben der genauen Beschreibung von Heideggers Auftreten lässt sich die Bedeutsamkeit dieser Begegnung für Ficker daran ermessen, dass er von den ersten Briefen Heideggers Abschriften unter seinen Freunden und Bekannten verteilte. Er ist ganz anders, als ich mir ihn vorgestellt habe: grazil in der Erscheinung und vollständig unprätentiös, von behutsamer Schlichtheit in seinem Wesen. Aufleuchtend ist nur sein Blick in der Verhaltenheit seines Lesens und Sprechens. Wie erfreulich die Begegnung auch für ihn war, mögen Sie den beiliegenden Abschriften zweier handgeschriebener Briefe von ihm entnehmen, die ich von ihm erhielt [...]. Es war ein rührendes Erlebnis für mich, das mir viel zu denken gibt. (Ficker (1996), 235) Heidegger berichtete ebenfalls in einem wohlgestimmten Ton am 15. Dezember 1952 Hannah Arendt von der ersten Begegnung mit Ficker, in dem er den freundschaftlichen Mentor Trakls erkannte: Anfang Oktober hielt ich auf Bühlerhöhe zu Prof. Stroomanns 65. Geburtstag auf dessen besonderen Wunsch einen Vortrag über Georg Trakl. Herr von Ficker, der Herausgeber des Brenner und Freund und Beschützer Trakls, war auch da. Es war eine schöne Begegnung. Ich wurde in das Jahr 1912 versetzt, wo ich als Student in der Freiburger Akademischen Lesehalle den Brenner las und dabei zum ersten Mal auf Gedichte Trakls stieß. Seitdem haben sie mich nicht mehr losgelassen. (Arendt/Heidegger (1998), 137) Die Begegnung findet auch in Petzets Heidegger-Biographie Erwähnung; er schildert Fickers Auftritt auf der Bühlerhöhe, als dieser sein letztes Beisammensein mit Trakl vor dessen Tod an der Ostfront des Ersten Weltkriegs und die furchtbaren Entstehungsbedingungen der letzten, großen Gedichte Grodek und Klage nachzeichnete. Die Zuhörer im Saale hatten gespürt, daß hier einer sprach, der Leid und Einsamkeit eines Dichters mitfühlend erlebte. An jenem Abend war es eigentlich kein Vortrag, sondern eine Rede, ein menschlicher Zu-Spruch, daraus Trakl ergreifend hervortrat. Eine einzigartige Beziehung wurde sichtbar, die den Dichter mit seinem Freunde, Gönner, Helfer verband, der sein ganzes Leben dieser Verbindung geweiht hat. Was Ludwig von Ficker, ein alter, schon hinfällig gewordener Mann, damals sagte, war kein kühl betrachtender Beitrag zur germanistischen Wissenschaft, wie ihn die Fachleute erwartet haben mögen, vor denen er später den Vortrag in Freiburg wiederholte. Es war ein Bekenntnis - zur Wahrheit. (Petzet (1983), 114) II. Wer war Ludwig von Ficker, der bescheiden und zurückgezogen im Hintergrund tätig war, nicht ohne mit seiner Zeitschrift Der Brenner, in der eine Vielfalt von dichterischen, philosophischen und theologischen Beiträgen erschien, das Geistesleben im süddeutschen Raum und darüber hinaus zu prägen? Fickers Arbeit im Brenner konzentrierte sich vornehmlich darauf, in Verteidigungsreden, Nachrufen und Erinnerungen auf die Bedeutung seiner Mitarbeiter hinzuweisen. Sein eigentliches Werk sind aber die überaus zahlreichen Briefe, die er über Jahrzehnte mit verschiedenen Persönlichkeiten - von Karl Kraus, Oskar Kokoschka und Elke Lasker-Schüler bis hin zu Adolf Loos, Paul Celan und Martin Heidegger - wechselte. Ludwig von Ficker wurde als erstes von fünf Kindern des Historikers Julius von Ficker, der aus einem westfälischen Geschlecht stammte, und der in Bruneck (Südtirol) aufgewachsenen Volksschullehrerin Maria Tschafeller am 13. April 1880 in München geboren. 1896 übersiedelte die Familie nach Innsbruck. Das Vorhaben, Schauspieler zu werden, wurde ihm vom Vater, der für den Sohn die juridische …


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