Individualität

Individualität

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783406459214
Untertitel:
Das Element der Welt
Genre:
Philosophie Sachbücher
Autor:
Volker Gerhardt
Herausgeber:
Beck, C H
Anzahl Seiten:
242
Erscheinungsdatum:
21.09.2000
ISBN:
978-3-406-45921-4

Die Individualisierung gilt als wesentliche Ursache für den oft als bedrohlich empfundenen Wandel von Werten und Einstellungen in der modernen Zivilisation. Volker Gerhardt unterzieht die verbreitete These vom späten historischen Auftritt des Individuums einer grundlegenden Revision. Sein Buch zeigt, wie die Individualität das gesamte Welt- und Selbstverhältnis des Menschen bestimmt. Welt- und Selbstbegriff des Menschen stehen in Korrespondenz, so dass die Individualität als Element der Welt systematisch an die Stelle des Atoms gerückt werden kann. Gerhardts grundlegende Analyse der Individualität ist daher zugleich auch ein Beitrag zur Metaphysik, Erkenntnistheorie, Kulturphilosophie sowie zu Ethik und Ästhetik.


Autorentext
Volker Gerhardt, geb. 1944, ist Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Leseprobe
"Wissen

1. Die Individualität der Dinge. Alles ist individuell. Jedes Sandkorn, jeder Lichtreflex, jede Schaumkrone, jeder Flügelschlag und jeder Wassertropfen kommt so, wie er an dieser Stelle zu dieser Zeit ist, nur einmal vor. In dieser Einmaligkeit hat er sein Material und seine Gestalt, seinen Ort und seine Zeit.
Das ist die ontologische Einsicht, von der wir auszugehen haben. Nur im Begriff, nicht aber bei den realen Vorkommnissen der Welt gibt es strikte Gleichheit. Nur der gedachte Kreis ist wirklich rund. Jeder gezeichnete Kreis weist Besonderheiten auf, die ihn von jedem anderen Kreis unterscheiden. Auch ein in Massenauflage gedruckter Kreis kommt auf jedem Blatt gesondert vor. Selbst Serienproduktion bringt - in jedem einzelnen Exemplar - Individuen hervor.
Am Beispiel des Kreises können wir uns überdies klarmachen, dass die ontologische Staffelung der Dinge und Ereignisse gegen unendlich geht. Denn es ist nicht nur der uns vielleicht in einer sorgfältigen Zeichnu ng vor Augen stehende Kreis, dem wir auf diesem Blatt, in diesem Raum und in dieser Stunde Einmaligkeit zu gestehen. Vielmehr gilt für ihn nur etwas, das wir für jedes seiner Segmente und für jeden Punkt auf seiner Linie ebenfalls unterstellen müssen. Es gilt in gleichem Maße für die ihn umgebenden Dinge und natürlich auch für uns, die wir ihn betrachten oder jetzt - als Beispiel wählen.
2. Die Individualität der Mengen. Wenn alles individuell ist: Ist dann 'alles' nichts? Oder ist 'alles' etwa auch individuell? Das hängt davon ab, was 'alles' eigentlich meint: 'Alles' meint zunächst die Gesamtheit der Dinge oder Ereignisse, von denen die Rede ist. Im äußersten Fall ist dies die 'Welt'. In den alltäglichen Fällen meint 'alles' eben alles, was man hat, alles, was man mitnehmen muss oder vor der Abreise noch zu tun hat. Man weiß schon als Kind, dass man alles aufessen muss oder zuweilen alles aufzuräumen hat.
Die jeweils gemeinten Dinge und Sachverhalte sind natürlich nicht nur im einze lnen, sondern auch in ihrer jeweils gemeinten Gesamtheit individuell. Wie sollte es auch anders sein? Aus einer Summe von einzelnen Dingen kann selbst immer nur etwas Individuelles werden. Auch wenn noch so viel im Zimmer herum liegt: 'Alles' ist eine bestimmte Anzahl von Spielsachen, die in diesem Raum, an diesem Tag ein durch und durch individuelles Ensemble von Dingen ergeben. Also ist auch das, was 'alles' umfasst, singulär - unabhängig davon, wie viel es umfasst. Auch wenn man vor der Reise noch -zig Dinge zu erledigen hat, sind diese Dinge ein konkreter Bestand von Aufgaben, den ich zwar nicht einfach durch Zeigen aufweisen, der aber aufgezählt oder durch einzelne Tätigkeiten erledigt werden kann. Sogar die Welt, obgleich sie unzählige Dinge und Ereignisse enthält, muss etwas Individuelles sein, wenn der Begriff von ihr Bedeutung haben soll.
3. Individualität der Wörter. Was immer 'alles' in der Sache meint, ist also individuell. Wie aber ist es mit 'alles' selbst? Hier ist ein e weitere Unterscheidung nötig: Nachdem wir die gemeinte Sache von dem bezeichnenden Wort abgegrenzt haben, müssen wir fragen, ob nur das Wort 'alles' oder dessen Begriff in Rede steht. Soll bloß das ausdrücklich gesprochene, geschriebene oder leise vor mich hingesagte Wort gemeint sein, dann ist dies natürlich auch immer ein singuläres Ereignis und insofern individuell. Es kann deutlich oder undeutlich artikuliert, in Hand- oder Maschinenschrift notiert oder - aus einer didaktischen Laune heraus - in seiner französischen Variante vorgestellt werden: In allen diesen Fällen bleibt das Wort individuell. Es ist an einen singulären Akt gebunden, wird hier und jetzt laut oder leise gesprochen oder steht in einer bestimmten Schreibweise auf einem bestimmten Blatt Papier. Das Wort ist somit - wie die einzelnen Dinge selbst - ein Vorkommens in der realen Welt und teilt als solches das Schicksal aller Dinge und Ereignisse: Es ist jetzt und immer wieder indi


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