Gendering Terror

Gendering Terror

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593392813
Untertitel:
Eine Geschlechtergeschichte des Linksterrorismus in der Schweiz
Genre:
Feminismus & Geschlechterforschung
Autor:
Dominique Grisard
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Auflage
Anzahl Seiten:
345
Erscheinungsdatum:
31.01.2011
ISBN:
978-3-593-39281-3

Politik der Geschlechterverhältnisse

Dass Frauen in linksterroristischen Gruppen aktiv waren und den bewaffneten Kampf befürworteten, rief in den 1970er-Jahren massive Verunsicherungen hervor. Dominique Grisard analysiert am Beispiel des Linksterrorismus in der Schweiz vergeschlechtlichte Sicherheitsdiskurse, die das Phänomen Terrorismus mit der "pervertierten" Emanzipation ausländischer Frauen verknüpften. Über die Abgrenzung von der Figur der maskulinen, ausländischen Terroristin versicherten sich der Staat und seine Bürger des "Eigenen", nämlich einer bürgerlichen Geschlechterordnung, die aus Beschützern der Nation und ihren Frauen und Kindern bestand.

"Gendering Terror is a rich, insightful, and highly recommended study that makes a crucial contribution to work on gender and left-wing terrorism.", German Studies Review, 01.11.2013

Autorentext
Dominique Grisard, Dr. phil., ist Historikerin und arbeitet als wissenschaftliche Assistentin am Zentrum Gender Studies der Universität Basel.

Leseprobe
I. Terrorismus und Geschlecht Der Linksterrorismus ist seit seinem Auftauchen Ende der 1960er-Jahre Objekt des Wissens. In dieser Untersuchung sind es macht , diskurs- und geschlechtertheoretische Überlegungen, die zu einer Neueinschätzung des Phänomens des Linksterrorismus beitragen. Ein Blick in Schweizer Zeitungen, Parlamentsdebatten oder in die Akten der Schweizer Bundespolizei aus den 1970er- und frühen 1980er-Jahren zeigt, dass der Linksterrorismus für ernsthafte Beunruhigung sorgte. In dieser Zeit nämlich erklärten GuerillakämpferInnen westlichen Nationalstaaten den Krieg (vgl. Eschen u.a. 1973: 60). Sie bezeichneten sich als Armeen und schrieben sich so in die Tradition von Wehrbereitschaft und Krieg ein. Die westliche Staatengemeinschaft - auch die Schweiz - ging auf diese Kriegserklärung ein (vgl. Hess u.a. 1988b; Musolff 2006; Diewald-Kerkmann 2005; 2009). Dies zeigt sich an der staatlichen Maschinerie, die gegen den Terrorismus in Gang gesetzt worden ist, insbesondere an der Sicherheitspolitik, die zu dieser Zeit ausgebaut wurde, aber auch an der kriegerischen Rhetorik staatlicher und zivilgesellschaftlicher AkteurInnen (vgl. hierzu Musolff 1996; 2004). Damit akzeptierten der Staat und die Zivilgesellschaft die damaligen terroristischen Zellen als ihre Feinde und begegneten ihnen auf Augenhöhe - als ebenbürtige Subjekte. Bislang gibt es kaum systematische Untersuchungen zu den Verschränkungen von Geschlecht und Terrorismus. So wurden etwa die Konzepte von Männlichkeit in der Roten Armee Fraktion (RAF), die Geschlechtertrennung im Sonderstrafvollzug für TerroristInnen oder die geschlechtliche Aufladung von Parlamentsdebatten zum Terrorismus - um nur ein paar Beispiele zu nennen - noch gar nicht oder nur unzureichend beleuchtet. Vor diesem Hintergrund analysiert diese Studie zentrale Verzahnungen des dominanten Geschlechter- und Terrorismusdiskurses im Kontext der Schweiz der 1970er-Jahre. Dabei wird aus diskurs- und machttheoretischer Perspektive die These vertreten, dass Geschlecht sowohl auf der personalen Ebene wie auch auf der institutionellen und der symbolischen Ebene konstitutiv für das Phänomen des Linksterrorismus ist. Diese These gründet auf drei Grundannahmen: Erstens begreift sie die Subjektwerdung als vergeschlechtlichenden Prozess. Zweitens geht sie davon aus, dass Institutionen wie die Polizei, die Gerichte oder der Strafvollzug geschlechtsspezifisch und hierarchisch organisiert sind. Drittens werden Geschlechternormen und bilder als Bündel von Glaubensvorstellungen verstanden, die die Gesellschaft tief greifend prägen (vgl. Goffman 2001). Diese drei Dimensionen von Geschlecht haben das Phänomen des Terrorismus der 1970er-Jahre mit hervorgebracht. Umgekehrt war aber auch der in dieser Zeit vorherrschende Terrorismusdiskurs an der (Re )Produktion der bürgerlichen Geschlechterordnung beteiligt. Forschungsleitend ist demnach eine Doppelfrage: Wie prägten die symbolischen, institutionellen und personalen Dimensionen von Geschlecht die Auseinandersetzung mit dem Linksterrorismus? Und: Wie wirkte sich der damalige Umgang mit dem Terrorismus auf den Geschlechterdiskurs aus? An dieses Erkenntnisinteresse knüpfen weitere, konkrete Fragen an: Auf der personalen Ebene geht es um die Figuren und ProduzentInnen des Diskurses, also um TerroristInnen und SympathisantInnen, aber auch um BürgerInnen, MedienkonsumentInnen, JournalistInnen, PolizistInnen und PolitikerInnen. Wie wurden sie stilisiert und wie gestalteten sie den Diskurs mit? Auf der institutionellen Ebene stellt sich die Frage nach den Vorgaben und Logiken von Organisationen im Hinblick auf Geschlecht: Wie prägte beispielsweise die Geschlechtertrennung im Gefängnis das Verhalten der inhaftierten TerroristInnen? Außerdem wird nach den Bildern, Mythen und Narrativen gefragt, die den Diskurs organisierten: Welche symbolischen Zusammenhänge wurden hergestellt und welche Erzählmuster bestimmten mit, was gesagt und was nicht gesagt werden konnte? Im Sinne einer zeitdiagnostischen Analyse wird hier eine Geschichte der Vergangenheit präsentiert, aber auch eine Historisierung der Gegenwart vorgenommen. Mit anderen Worten: Die zeitliche Distanz zu den Ereignissen in den 1970er-Jahren wird für eine Geschlechteranalyse des Phänomens des Linksterrorismus der 1970er-Jahre fruchtbar gemacht. Gleichzeitig soll zu einer kritischen Einordnung der aktuellen Terrorismus- und Geschlechterforschung beigetragen werden. Das Potenzial einer solchen Herangehensweise liegt darin, auf neue Zusammenhänge der jüngsten Vergangenheit aufmerksam zu machen und somit den gewohnten Blick auf die Gegenwart zu verändern (vgl. Bührmann 2004: 39). Terrorismus aus foucaultscher Perspektive Eine diskurs- und machttheoretische Perspektive im Sinne Foucaults verschiebt den Blick auf das Phänomen des Terrorismus in mehrfacher Weise. Erstens geht eine foucaultsche Analyse davon aus, dass ein Phänomen wie der Terrorismus nur in Diskursen und durch Diskurse wahrnehmbar ist. Wird der Fokus auf die Verzahnungen zwischen dem hegemonialen Terrorismus- und dem Geschlechterdiskurs gelegt, rückt der Terrorakt selbst notwendigerweise in den Hintergrund. Das Erkenntnisinteresse liegt nun hauptsächlich auf den in einer bestimmten Zeit ausgehandelten Bedeutungen von Terrorismus mitsamt ihren Wahrheitseffekten. Dabei wird deutlich, in welchem Ausmaß mediale, aber auch politische und strafrechtliche Debatten das Phänomen des Terrorismus konstituieren. Ein terroristisches Ereignis transportiert Aussagen. Diese können aber sehr verschieden interpretiert werden. Die Auslegung durch die EmpfängerInnen stimmt nicht immer mit der Botschaft der SenderInnen überein. So sind im Rahmen dieser diskurs- und machttheoretisch informierten Studie Ereignisse vor allem dann von Interesse, wenn deren Identifikation als Terrorismus nicht stillschweigend vorausgesetzt wird. Denn anhand von Ereignissen, bei denen verhandelt wird, ob sie nun terroristisch oder eben doch nur linksextrem oder kriminell sind, lässt sich gut herausarbeiten, was unter Terrorismus verstanden wurde. Besonders aufschlussreich sind Debatten über die Grenzen zwischen Terrorismus, Sympathisantentum und Neuen Sozialen Bewegungen (Frauenbewegung), aber auch Auseinandersetzungen darüber, was Terrorismus und was nur ein Lausbubenstreich ist. An diesen Schnittstellen werden die Verschränkungen des Terrorismus- und Geschlechterdiskurses erst richtig sichtbar. Um die Definition eines terroristischen Ereignisses wird folglich gerungen, was paradoxerweise jede dissidente Gruppe, so sehr sie sich selbst als Antithese zum modernen bürgerlichen Projekt begreifen mag, zu einer (Mit )Produzentin des bürgerlichen Terrorismusdiskurses werden lässt (vgl. Lewis 2005: 26). Deshalb werden in dieser Untersuchung (Widerstands-) Praxen von TerroristInnen dann zum Thema, wenn sie den vorherrschenden Terrorismusdiskurs nachweislich mitprägte…


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