Pragmatische Visionäre

Pragmatische Visionäre

Einband:
Paperback
EAN:
9783593394268
Untertitel:
Stadtregionale Planung und zivilgesellschaftliches Engagement in den USA
Genre:
Stadt- & Regionalsoziologie
Autor:
Barbara Schönig
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Auflage
Anzahl Seiten:
456
Erscheinungsdatum:
31.08.2011
ISBN:
978-3-593-39426-8

Interdisziplinäre Stadtforschung

Leitbilder stadtregionaler Planung wurden in den USA erheblich durch zivilgesellschaftliches Engagement geprägt. Diesen Akteuren gelingt es jedoch nur punktuell, die fehlende staatliche Steuerung räumlicher Entwicklung in den Metropolregionen zu kompensieren, um so Zersiedelung und sozioökonomischer Polarisierung entgegenzuwirken. Barbara Schönig untersucht die Geschichte zivilgesellschaftlicher stadtregionaler Planung und analysiert eine Fallstudie zur Regional Plan Association New York, New Jersey und Connecticut im Hinblick auf Potenziale und Ambivalenzen dieses Engagements.

Autorentext
Barbara Schönig, Dr.-Ing., ist Professorin für Stadtplanung am Institut für Europäische Urbanistik, Fakultät Architektur, an der Bauhaus-Universität Weimar.

Leseprobe
Nicht-staatliche und nicht-wirtschaftliche Akteure, die durch ihr Wirken städtische und regionale Räume gestalten, gibt es in Deutschland in großer Zahl: Sie kämpfen um verkehrsberuhigte Zonen, Parks und Spielplätze in Nachbarschaftsinitiativen, schließen sich gegen Atommülllager oder Asylbewerberheime zusammen, sie stoßen Projekte der sozialen Stadtentwicklung oder des sozialen Wohnungsbaus an, bringen sich in Stadtforen oder public private partnerships ein, sie starten Kampagnen zur Errichtung von Denk- oder Mahnmälern, zum Wiederaufbau von Schlössern oder zum Bau von Konzerthäusern oder entwerfen Pläne für die Entwicklung ihrer Städte. Unübersehbar handelt es sich um Akteure mit sehr verschiedenen sozialen, kulturellen, ethnischen oder politischen Hintergründen, die mit ihrem Engagement ganz unterschiedliche Ziele und Interessen durchsetzen möchten. Ebenso unterschiedlich sind ihre finanziellen Ressourcen und das soziale und kulturelle Kapital, auf das sie Zugriff haben, um die eigene Arbeit zu finanzieren, zu vermarkten oder die eigenen Interessen in der Öffentlichkeit zu vertreten. Dieses heterogene Spektrum an Akteuren wird in der planungspolitischen sowie -praktischen, aber auch in der planungstheoretischen Debatte oft mit dem Begriff "Zivilgesellschaft" gefasst. Die Beteiligung "zivilgesellschaftlicher Akteure" ist - obgleich vielfach beschworen - eine Art black box der Planung, deren faktische Bedeutung in Planungsprozessen uneindeutig ist. Dies ist nicht zuletzt ein Ergebnis der empirischen und theoretischen Unbestimmtheit dessen, was mit dem Begriff gefasst wird. Der deutsche Diskurs um "Zivilgesellschaft" ist geprägt durch ein normatives Verständnis der "Zivilgesellschaft" als utopisches Projekt, dessen Glanz im "real existierenden" zivilgesellschaftlichen Engagement gleichsam hervorschimmert. Ein solcher normativer Zivilgesellschaftsbegriff wurde insbesondere von Jürgen Habermas prominent vertreten. Dieser Begriff trifft die empirische Realität des sozialen Bereichs zivilgesellschaftlichen Engagements, "in dem universalistische und partikularistische Gemeinschaftsbildungen unauflöslich miteinander verwoben sind", jedoch nur mangelhaft. (Heins 2002: S. 81f.) Denn dort findet sich - wie oben angedeutet - ein heterogenes Feld gesellschaftlicher Selbstorganisation, in dem Akteure mit ganz unterschiedlichen Interessen operieren. Diesen Akteuren stehen je nach sozialer Trägerschaft, Ziel und finanziellen Ressourcen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse zu nehmen. Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Planung - fiskalische Notlagen der öffentlichen Haushalte, steigende Komplexität planerischer Probleme und zunehmende gesellschaftliche Ausdifferenzierung - wird planungspolitisch vielfach für die Integration zivilgesellschaftlicher Akteure in Planungsprozesse geworben. Zwar wird nicht ernsthaft die Ablösung staatlicher Steuerung im Feld der räumlichen Planung durch zivilgesellschaftliche Akteure gefordert, weil mittlerweile eine gewisse Ernüchterung gegenüber deren Potential eingetreten ist. (Adrian, Bodenschatz, Doehler-Behzadi et al. 2006: S. 1; Selle 2000a; Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen 2005: S. 8) Nichtsdestotrotz sind weiterhin die Rufe nach einer neuen Justierung der Aufgabenverteilung zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu hören. (Tiefensee 2007; Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2007: S. 8) Auf welche Weise die Zivilgesellschaft in der räumlichen Planung wirken kann, ist bislang jedoch weitgehend ungeklärt. (Adrian, Bodenschatz, Doehler-Behzadi et al. 2006: S. 3) Obgleich also zivilgesellschaftliche Akteure in der Stadt- und Regionalentwicklung angesichts postfordistischer gesellschaftlicher Rahmenbedingungen vielfach erwünscht scheinen, gibt es bislang kaum systematische Untersuchungen darüber, was sie in Prozesse räumlicher Planung und Entwicklung tatsächlich einzubringen vermögen. Planungstheoretisch werden die neuen Formen der kooperativen Steuerung durch Akteure aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft oft unter dem Stichwort der Governance erörtert. (Altrock, Güntner und Kennel 2004: S. 188-191) Formen der Governance gelten gerade dort als Königsweg, wo keine handlungsfähigen staatlichen Institutionen existieren, die bestehenden nicht ausreichend Handlungsmacht oder -legitimation besitzen oder wo eine Vielzahl an Entscheidungsebenen und -trägern in konfliktreichen, aber problembelasteten Räumen und Politikfeldern lösungsorientiert arbeiten müssten, um langfristig haltbare Lösungen für komplexe Probleme zu erarbeiten. (Nuissl und Heinrichs 2007: S. 52; Altrock, Güntner und Kennel 2004: S. 190) Paradebeispiele hierfür sind auch in Deutschland die Stadtregionen als fragmentierte Mehrebenensysteme, die angesichts der aktuellen ökologischen und sozialen Herausforderungen und nationaler, europäischer und globaler Standortkonkurrenz vor großen Aufgaben hinsichtlich einer Koordination räumlicher Entwicklung zwischen Kernstädten und umliegenden Gemeinden stehen. Hybride Formen der Steuerung - Governance - gelten hier als Alternative zu einer rein staatlichen Steuerung räumlicher Entwicklung, die angesichts der Komplexität planerischer Probleme in den Stadtregionen unter großen Legitimationsdruck gerät. (Benz 2005: S. 406; Blotevogel 2005: S. 646; Fürst 2005: S. 152f.; Fürst 2007: S. 354) Formen der Governance (informelle Steuerungsmechanismen, Netzwerke, runde Tische etc.) sollen dazu beitragen, die negativen Effekte mangelnder Kooperation und staatlicher Steuerung zu bändigen beziehungsweise vorteilhafte Entwicklungen zu begünstigen. (Fürst 2005: S. 153) Erstaunlicherweise wird jedoch die Rolle, die dabei zivilgesellschaftliche Akteure wahrnehmen könnten, wissenschaftlich bislang kaum erörtert, obwohl diesen doch auf kommunaler Ebene wesentliche Bedeutung zugemessen wird. Dies weist auf den Mangel an stadtregionaler Öffentlichkeit und damit auf ein wesentliches Problem für die Etablierung von Mechanismen stadtregionaler Planung und Koordination hin: Obgleich sich die Stadtregionen als bedeutende räumliche Einheiten formieren und sich zunehmend als ökonomisch, ökologisch und sozial interdependente Entwicklungseinheiten verstehen, finden Diskussionen über stadtregionale Fragen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Sie stoßen zudem nur selten auf das Interesse der breiten Öffentlichkeit, deren Möglichkeiten zur formellen und informellen Partizipation sowieso beschränkt beziehungsweise weitgehend nicht existent wären. Dies spiegelt sich in der wissenschaftlichen Diskussion, indem beispielsweise trocken konstatiert wird, dass die Stadtregion ein Thema für Experten sei und nicht über eine politische Öffentlichkeit verfüge. (Fürst 2005: S. 163) Dies, obgleich es, wie Thomas Sieverts schreibt, einer breiten gesellschaftlichen Bewegung bedürfte, um die Probleme der Stadtregionen durch nachhaltige Entwicklung in Kernstädten und Zwischenstadt zu meistern. (Sie…


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