What Can a Body Do?

What Can a Body Do?

Einband:
Paperback
EAN:
9783593396415
Untertitel:
Praktiken und Figurationen des Körpers in den Kulturwissenschaften
Genre:
Feminismus & Geschlechterforschung
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Auflage
Anzahl Seiten:
436
Erscheinungsdatum:
31.05.2012
ISBN:
978-3-593-39641-5

Der Körper von zwei Seiten

In den letzten Jahren wurde der Körper zum zentralen Thema in den Kulturwissenschaften. Ausgehend von der Wendung "What can a body do?" (Was vermag ein Körper?) werden in diesem Band sowohl Praktiken (also Handlungs- und Herstellungsweisen) als auch Figurationen (also materialisierte Formen) des Körpers in den Blick genommen. Der ungewöhnliche Band bietet zehn Texte zu Körperpraktiken, die von "Aufführen" über "Essen" bis zu "Sterben" reichen. In 36 Figurationstexten und künstlerischen Arbeiten, vom Avatar über die Leihmutter oder den Radrennfahrer bis hin zum Tanzpaar, wird ein breites Spektrum konkreter Verkörperungen vorgestellt. Da der Band sich aus zwei Richtungen den Verortungen des Körpers in den Kulturwissenschaften annähert, ist er entsprechend als Wendebuch gestaltet: Er kann "auf den Kopf gestellt" und von zwei Seiten gelesen werden. Das Netzwerk "Körper in den Kulturwissenschaften" ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 2007 geförderter Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen. Ziel war es, die unterschiedlichen Konzeptionen und Begriffe von Körper, wie sie in den Kulturwissenschaften und darüber hinaus kursieren, kritisch zueinander in Bezug zu setzen. Der Band präsentiert die Ergebnisse.

Autorentext
Das Netzwerk Körper sind: Dr. Eva Bischoff, Dr. Uta Fenske, Dr. Henriette Gunkel, Prof. Dr. Michaela Hampf, Dr. Elahe Haschemi Yekani, Ao. Prof. Dr. Arne Klawitter, Dr. Christiane König, Dr. Beate Kutschke, Dr. Gudrun Löhrer, PD Dr. Maren Möhring, Dr. Massimo Perinelli und Dr. Olaf Stieglitz.

Leseprobe
Die Geschichte der Körper ist die Geschichte ihrer Praktiken. Dies ist gleichsam Perspektive und Herausforderung des vorliegenden Buches. Körper werden in jeweils historisch und kulturell spezifischen Augenblicken hergestellt und konstituieren sich selbst durch eine Reihe von Techniken, welche die Körper auf unterschiedliche Weisen in Bewegung setzen und die körperlichen Bewegungen regulieren oder auch unterbinden. Die Art und Weise, wie sich Körper in Beziehung zueinander setzen und zu der Welt, in die sie eingelassen sind, ist eine agierende. In der Weise, wie Körper gehen, wie Körperteile funktional Aufgaben übernehmen oder sich scheinbar dysfunktional den Produktionsprozessen entziehen, in der Weise, wie Körper atmen, tanzen, frieren oder Lust empfinden, sich zusammenziehen oder öffnen, krank werden, sich formen und umgestalten, sich schmücken, in der Weise, wie sie kämpfen oder erstarren, sich zurückziehen oder aber sich in das alltägliche Handgemenge werfen, bilden sich die gesellschaftlichen Verhältnisse heraus, in denen wir alle handeln. Körper tun etwas, und dieses Tun bringt in seiner sozioökonomischen, kulturellen, politischen, historischen, technischen oder raumzeitlichen Spezifik den Menschen hervor, der sowohl diesen Körper hat und der gleichzeitig dieser Körper ist. Dem Körper ist immer ein Vermögen, eine Potenzialität eigen, und ein Nachdenken über den Körper muss sich folglich mit der Frage beschäftigen, was Körper tun beziehungsweise welches Handlungsvermögen, welche agency sie beherbergen. Die in diesem Buch vorgenommene räumliche und zeitliche Begrenzung auf die Geschichte der westlichen Moderne soll indes keine eurozentrische Sichtweise reaffirmieren, sondern vielmehr die gewohnten und machtvollen Denkmuster veruneindeutigen und zur Disposition stellen. Diese kritische praxis- beziehungsweise handlungsorientierte Sicht auf den Körper lässt sich in doppelter Weise realisieren. Einerseits kann mit Michel Foucault danach gefragt werden, aus welcher historischen Situation eine urgence - eine gesellschaftliche Dringlich- und Notwendigkeit - entsteht, Körper entsprechend einer "Strategie ohne Strategen" (Foucault 1978: 132) zu disziplinieren und als Subjektkörper hervorzubringen. Ob es die monotonen Handgriffe des Massenarbeiters und der -arbeiterin während der Industrialisierung sind, das Stillsitzen der Schüler_innen in der panoptischen Anordnung des Klassenzimmers in der modernen Institution Schule, das Strammstehen der Soldaten beim Militär, das Einschnüren der weiblichen Körper in die Korsetts des viktorianischen Zeitalters, die über der Bettdecke festgebundenen Hände der feucht-träumenden Adoleszenten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die sich im Fitnessstudio schindenden weiblichen und männlichen oder die durch chirurgische Eingriffe modifizierten Körper insbesondere in der heutigen Zeit - immer sind es konkrete Praktiken, die auf den Körper einwirken und durch ihn das Subjekt hervorbringen, das sich mit diesem Körper selbst-identisch denkt und empfindet oder aber sich in seinem Körper fremd fühlt. Und dennoch setzen die Körper, gemäß Foucaults Gedanken von der Zerstreutheit der Mächte, den Regulierungsbewegungen stets ihr eigenes Potenzial entgegen. Nie ist der Körper nur passive Einschreibefläche oder auch stabiles Resultat der Praktiken, die ihn zu regulieren versuchen. Er ist aufgrund seiner ihm eigenen Potenzialität immer mehr, immer anders als jene eindeutig lesbare Einheit, die die Praktiken der Disziplinierung und Regulierung zu konstituieren suchen. Im Denken über Körper aus einer praxis- beziehungsweise handlungsorientierten Perspektive gehen wir also von der Idee des prozesshaften Drängens der multiplen, vielfältigen Körper aus. Die foucaultsche Diskursanalyse und die Performativitätstheorie von Judith Butler nehmen vor allem in den Blick, auf welche Subjektpositionen Körperpraktiken zulaufen. Im Gegensatz dazu spüren Gilles Deleuze und Félix Guattari, sehr konsequent und radikal gedacht, jenen Praktiken hinterher, die aus den konstituierten Subjekten herausweisen, diese unterlaufen oder schlicht verfehlen. Wenn sich also mit Foucault und Butler die Verfestigung beziehungsweise Sedimentierung der Diskurse als und durch Körper bestimmen lässt, kann mit Deleuze/Guattari ihre Verflüssigung nachvollzogen werden. Dieser Ansatz definiert Begehren nicht auf einem Mangel beruhend, wie es in den psychoanalytischen Theorien Tradition ist, sondern sieht in ihm zunächst den nicht-diskursiven Wunsch nach körperlicher, nicht-strukturierter Verbindung, Entgrenzung und Verwandlung. Damit zeigt er sich an den Instabilitäten und letztlich an den widerständigen Effekten von Körperpraktiken interessiert, an Praktiken, die sich nicht in der Herstellung von nützlichen, funktionalen Körpern und Subjekten erschöpfen, sondern sich quer zu den Strukturen und Machtlinien der Dispositive vollziehen und deren größtes Potenzial darin besteht, ganz eigene Logiken und letztlich eigene temporäre Wahrheiten hervorzubringen. Gerade die Geschichte solcher Praktiken ist schwer zu schreiben, da für sie, verborgen in den Nischen und heterotopischen Orten innerhalb und gleichzeitig außerhalb der Wissensordnungen, kein Platz in den Findbüchern der Archive vorgesehen ist. Sie ist auch deshalb so schwer zu schreiben, weil sie sich den in den Disziplinen üblichen Dichotomien von Diskurs und Materie, von Subjekt und Objekt, von Denken und Handeln, von Struktur und Individuum, von Macht/Unterdrückung und Widerstand verweigert beziehungsweise diese durchquert. Für uns kann es sich daher nur um eine Annäherung an diese Praktiken handeln. Ein Buch über Körper wie das vorliegende, dem eine Vorstellung vom Körper als doing body, als einer ausdrücklich mit agency versehenen Entität zugrunde liegt, kann deshalb nicht von Figurationen ausgehen. Zwar impliziert der Begriff Figuration bereits das Prozessuale und die Beweglichkeit und wird - wie etwa in den Theater- und Literaturwissenschaften - abgrenzend von der statisch konzipierten Figur abgeleitet. In diesen Disziplinen bringt der Begriff der Figuration Körper und Zeichen, Materie und Bedeutung in eine Bewegung, die nicht vollständig kontrollierbar ist. Dennoch steht hinter dem Konzept der Figu…


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