Nachhaltige Freiheit

Nachhaltige Freiheit

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783593511665
Untertitel:
Elemente einer ökologischen politischen Philosophie
Genre:
20. & 21. Jahrhundert
Autor:
Katia Henriette Backhaus
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Anzahl Seiten:
396
Erscheinungsdatum:
20.05.2020
ISBN:
978-3-593-51166-5

Beschneidet Nachhaltigkeit unsere Freiheit? Im Gegenteil: Die ökologische Krise bedroht unsere politische Freiheit. Wenn wir weiterhin darüber entscheiden wollen, wie wir gemeinsam leben, müssen wir, so die These dieser Studie, Freiheit neu denken. Nachhaltige Freiheit bezieht ihre Bedingungen und ihre Konsequenzen ein. Die Autorin bestimmt Nachhaltigkeit als das Verhältnis von Mensch und Natur und entwickelt einen Mindeststandard, der irreversible ökologische Schäden verhindern soll. So legt sie mit diesem Buch eine moderne ökologische Philosophie vor.

»Die Stärke des Buches liegt darin, bestehende Vorschläge zur Konzeptualisierung von Freiheit vor dem Hintergrund der ökologischen Krise weiterzudenken und damit den Boden für die so wichtige Ausarbeitung einer nachhaltigen und somit zeitgemäßen Theorie der Freiheit aufzubereiten.« Kira Meyer, Zeitschrift für philosophische Literatur, Dezember 2020

Autorentext
Katia Henriette Backhaus hat am Exzellenzcluster »Die Herausbildung normativer Ordnungen« an der Universität Frankfurt im Bereich der Politischen Theorie promoviert. Sie arbeitet nun als Journalistin und lebt in Bremen.

Leseprobe
1 Freiheit und Nachhaltigkeit zusammen denken Den Blick auf die im doppelten Sinne begründenden gedanklichen Gerüste der von Menschen geteilten Welt zu werfen, ist Aufgabe der politischen Theorie und Philosophie. Widersprüche innerhalb dieser Strukturen zu diskutieren gehört ebenso dazu, wie neue Perspektiven auf Bestehendes aufzuzeigen. Zudem gehört dazu, Veränderungen desselben nicht nur zu registrieren, sondern auch zu begleiten. Ich diskutiere in diesem Buch die fundamentale Veränderung der menschlichen Umwelt, die ich als ökologische Krise bezeichne, aus der Perspektive der politischen Theorie und Philosophie. So rückt die Reflexion des der Krise zugrundeliegenden Verhältnisses von Mensch und Natur in den Fokus. Die ökologische Krise betrifft die natürliche Umwelt aller Lebewesen auf der Erde inklusive der Ökosysteme. Nicht nur die Erfassung und Beschreibung dieser Krise, sondern auch Lösungen und Handlungsempfehlungen werden dementsprechend häufig von Expertinnen erwartet, die sich mit naturwissenschaftlichen Fragen beschäftigen. Obwohl dies geschieht, zeigen die Ergebnisse dieser Untersuchungen, dass eine Reduktion auf die naturwissenschaftliche Perspektive nicht erfolgversprechend ist, weil sie die tieferliegenden Ursachen der Krise nicht erfassen kann. Denn am Beginn der naturwissenschaftlichen Kausalkette, die unter anderem erklären will, weshalb die Erderwärmung weiter fortschreitet, steht der Mensch selbst. Unsere Lebensweise ist die Ursache für das Ausmaß und die Form der ökologischen Krise, die wir gegenwärtig erleben. Demzufolge ist es genau genommen falsch, von einer ökologischen Krise zu sprechen: »Environmentalists' problems began with inaccurately referring to the crisis we face as an ecological one. The natural environment has not malfunctioned. It is the destructive behaviour of humans which is the problem.« Dass die natürliche Umwelt unter bestimmten menschlichen Verhaltensweisen leidet, ist inzwischen sowohl bekannt als auch anerkannt. Debatten über die Vermeidung von Plastikmüll, über klimafreundliche Mobilität oder den Ausbau der Nutzung regenerativer Energien werden zumindest in Deutschland von einer breiten Öffentlichkeit geführt. Nichtsdestotrotz ist noch immer mehr als unklar, ob es möglich sein wird, eine weitere Verschärfung der ökologischen Krise und damit umfassende Veränderungen der natürlichen Umwelt zu vermeiden. Denn in einer demokratischen Gesellschaft kann der Wandel von Konsum, Produktion und Lebensstil nicht einfach angeordnet werden. Akzeptanz von und Motivation für Veränderung, Teilhabe an Entscheidungsprozessen und die Sicherheit, dass gewisse Standards weiterhin Gültigkeit haben, sind wichtige Faktoren für eine umfassende ökologische Wende. In der öffentlichen Diskussion zeigt sich, dass Menschen vor allem um eins fürchten: ihre Freiheit. In einem Essay mit dem Titel »Der Teufel trägt Öko« hat Thomas Assheuer diese Sorge um das Ende der liberalen Freiheit prägnant formuliert: »Wenn die Klimakrise so gewaltig ist, wie die erdrückende Mehrheit der Klimaforscher behauptet, dann hat die Freiheit definitiv keine Wahl mehr, sie muss umsteuern oder, wie einige fordern: Sie muss die Laufrichtung ändern. Freiheit schlägt um in Unfreiheit, denn unter den Bedingungen von Erderwärmung und Artensterben stünde das Ziel allen politischen Handelns immer schon fest, absolut, unverrückbar und für lange Zeit. Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit und reduziert sich darauf, die Folgen früherer Freiheitsentscheidungen zu bekämpfen: Eine Zukunft gibt es nur, wenn es in der Gegenwart gelingt, die Fehler der Vergangenheit zu minimieren. Ist es dann noch Freiheit?« Immer neue Beispiele bestätigen diesen Zusammenhang: Wenn Innenstädte autofrei werden, ist es dann noch Freiheit? Wenn die Mehrwertsteuer auf Fleisch steigt, ist es dann noch Freiheit? Wenn Inlandsflüge verboten werden, ist es dann noch Freiheit? Nachhaltigkeit, die normative und politische Antwort auf die ökologische Krise, steht der Freiheit in diesen Debatten stets konträr gegenüber. Der Schutz der Natur scheint die Freiheit der Menschen zu beschränken. Der Konflikt zwischen Mensch und Natur hat in der Philosophie Tradition. Es gibt zwei Varianten: Erstens, das Spannungsverhältnis zwischen Mensch und innerer Natur, das der Determinismus-Diskussion zugrunde liegt, und zweitens, das ebenfalls als konflikthaft wahrgenommene Verhältnis zwischen Mensch und äußerer Natur, zu deren Schutz vor allem in Zeiten der ökologischen Krise dem Menschen Freiheits-beschränkungen auferlegt werden sollen. Wie frei kann ein Mensch sein, der von Trieben und Bedürfnissen beeinflusst ist? Wie kann sich der vernünftige, kultivierte Geist gegen die wilde Natur durchsetzen? Diese Fragen stellen nicht nur die Einzelnen, sondern auch das politische Gemeinwesen vor Probleme, denn der Grad an Zügelung und Herrschaft, der als sinnvoll erachtet wird, steht stets in Spannung zu der Freiheit, die gewährt und ermöglicht werden soll. Dass Freiheit dieser Überzeugung nach immer wieder gegen die Natur verteidigt werden muss, macht einerseits den Grund dieser Spannung aus, betont andererseits aber auch die Bedeutung, die der Freiheit zugesprochen wird. Die Frage nach der menschlichen Freiheit und ihrem konflikthaften Verhältnis zur Natur muss immer wieder neu gestellt werden, weil die Spaltung des Menschen in einen empirischen und einen geistigen Teil nur theoretisch möglich ist und die Bedürfnisbefriedigung Werten und Idealen im Wege stehen kann. Der Mensch ist und bleibt Teil der Natur, eben weil er seine eigene Natur nicht vollständig transzendieren kann. Im gegenwärtigen Kontext der ökologischen Krise wird die Beziehung von Freiheit und Natur, wie oben bereits angedeutet, ebenfalls gegensätzlich, aber in anderer Form gedacht. Der Gegensatz wird nun nicht als innerer Konflikt verstanden, sondern die Natur erscheint als das Äußere, als die Menschen umgebende Welt, die potentiell freiheitsbedrohend sein kann. Diese Bedrohung hat eine direkte und eine indirekte Konsequenz: Erstens erfordern spontan auftretende Naturereignisse wie Dürren, Überschwemmungen oder Hurrikans, schnelle und bestimmte Reaktionen. Zweitens wird dadurch die Freiheit eingeschränkt: Sowohl die politische, weil die Frage der demokratischen Gestaltung im Katastrophenfall hintenansteht, als auch die persönliche Freiheit. Auf Krisenfälle muss sofort und im schlimmsten Fall unter Ausnahmezustandsregelung reagiert werden. Dann wird der politische Normalzustand unterbrochen. Aushandlungs- und Abwägungsprozesse werden abgekürzt. Zugleich geht mit der Erkenntnis, dass eine spezifische Lebensweise die Ursache für verschiedene Phänomene der ökologischen Krise darstellt, häufig der Lösungsvorschlag einher, mithilfe politischer Instrumente in die freie Wahl der p…


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