Einband:
Kartonierter Einband
Untertitel:
Texte eines Humanisten und Weltbürgers
Genre:
Historische Romane & Erzählungen
Herausgeber:
Marix Verlag
Erscheinungsdatum:
20.01.2022
Stefan Zweig war in den 1930er-Jahren der meistgelesene Autor deutscher Sprache, seine Werke gehören heute zum Kanon der deutschsprachigen und europäischen Literatur. Der engagierte Kämpfer für Frieden und Völkerverständigung ist einer der wichtigsten Vordenker der europäischen Einigung. In seinen Sternstunden der Menschheit und den Biographien macht Zweig Geschichte wieder lebendig und spannend. Gekonnt porträtiert er historische Gestalten oder beeindruckende Abenteurer und Weltentdecker, aber er erinnert auch an die Opfer von Unterdrückung und Intoleranz. In den Novellen und Romanen glänzt er dank seines psychologischen Einfühlungsvermögens und der Darstellung von verborgenen Leidenschaften, die unaufhaltsam in die Katastrophe führen. Auch die heute weniger bekannten Gedichte und Dramen waren zu Lebzeiten des Autors äußerst erfolgreich. Zweigs Erinnerungen Die Welt von Gestern schließlich beschreiben eindringlich den einzigartigen intellektuellen und künstlerischen Kosmos am Ende der Habsburgermonarchie eine Epoche, die mit dem Ersten Weltkrieg und der Verfolgung und Vernichtung ihrer jüdischen Protagonisten unterging.
Autorentext
Stefan Zweig wurde 1881 in Wien geboren. Schon früh stand er in Kontakt mit den Persönlichkeiten der Wiener Moderne und begann selbst mit ersten literarischen Arbeiten. Es folgten zahlreiche Reisen in Europa und um die Welt. Er unterhielt Freundschaften und Briefkorrespondenzen zu Hermann Hesse, Romain Rolland, Maxim Gorki, Joseph Roth, Thomas Mann und vielen anderen. Während des Ersten Weltkriegs war er im österreichischen Kriegsarchiv tätig, wurde jedoch bald zum überzeugten Pazifisten. 1933 wurden seine Schriften verboten und verbrannt, 1934 emigrierte er nach London, um 1941 über New York nach Südamerika auszuwandern. 1942 beging er in Petrópolis, Brasilien gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte Altmann Selbstmord.
Leseprobe
Während dieser acht Jahre der höheren Schule ereignete sich für jeden von uns ein höchst persönliches Faktum: wir wurden aus zehnjährigen Kindern allmählich sechzehnjährige, siebzehnjährige, achtzehnjährige mannbare junge Menschen, und die Natur begann ihre Rechte anzumelden. Dieses Erwachen der Pubertät scheint nun ein durchaus privates Problem, das jeder heranwachsende Mensch auf seine eigene Weise mit sich auszukämpfen hat, und für den ersten Blick keineswegs zu öffentlicher Erörterung geeignet. Für unsere Generation aber wuchs jene Krise über ihre eigentliche Sphäre hinaus. Sie zeitigte zugleich ein Erwachen in einem anderen Sinne, denn sie lehrte uns zum ersten Mal, jene gesellschaftliche Welt, in der wir aufgewachsen waren, und ihre Konventionen mit kritischerem Sinn zu beobachten. Kinder und selbst junge Leute sind im Allgemeinen geneigt, sich zunächst den Gesetzen ihres Milieus respektvoll anzupassen. Aber sie unterwerfen sich den ihnen anbefohlenen Konventionen nur insolange, als sie sehen, dass diese auch von allen andern ehrlich innegehalten werden. Eine einzige Unwahrhaftigkeit bei Lehrern oder Eltern treibt den jungen Menschen unvermeidlich an, seine ganze Umwelt mit misstrauischem und damit schärferem Blick zu betrachten. Und wir brauchten nicht lange, um zu entdecken, dass alle jene Autoritäten, denen wir bisher Vertrauen geschenkt, dass Schule, Familie und die öffentliche Moral in diesem einen Punkte der Sexualität sich merkwürdig unaufrichtig gebärdeten und sogar mehr noch: dass sie auch von uns in diesem Belange Heimlichkeit und Hinterhältigkeit forderten. Denn man dachte anders über diese Dinge vor dreißig und vierzig Jahren als in unserer heutigen Welt. Vielleicht auf keinem Gebiete des öffentlichen Lebens hat sich durch eine Reihe von Faktoren die Emanzipation der Frau, die Freud'sche Psychoanalyse, den sportlichen Körperkult, die Verselbständigung der Jugend innerhalb eines einzigen Menschenalters eine so totale Verwandlung vollzogen wie in den Beziehungen der Geschlechter zueinander. Versucht man den Unterschied der bürgerlichen Moral des neunzehnten Jahrhunderts, die im wesentlichen eine victorianische war, gegenüber den heute gültigen, freieren und unbefangeneren Anschauungen zu formulieren, so kommt man der Sachlage vielleicht am nächsten, wenn man sagt, dass jene Epoche dem Problem der Sexualität aus dem Gefühl einer inneren Unsicherheit ängstlich auswich. Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. Ausschnitt aus dem Kapitel »Eros Matutinus«
Inhalt
NOVELLEN Im Schnee Die Mondscheingasse Die unsichtbare Sammlung Angst ROMAN Ungeduld des Herzens STERNSTUNDEN DER MENSCHHEIT Kampf um den Südpol Cicero BIOGRAPHIEN Joseph Fouché Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam Castellio gegen Calvin Marie Antoinette Maria Stuart Magellan BAUMEISTER DER WELT: DER KAMPF MIT DEM DÄMON Heinrich von Kleist Friedrich Hölderlin Friedrich Nietzsche Balzac DIE WELT VON GESTERN Eros Matutinus REISETEXTE Aus abgesperrter Welt [Wien Salzburg Salzkammergut] Besuch bei den Milliarden Das Haus der tausend Schicksale ESSAYS Monotonisierung der Welt Die moralische Entgiftung Europas. Ein Vortrag für die Europatagung der Accademia di Roma, 1932 Worte am Sarge von Sigmund Freud Abschiedsrede [für Joseph Roth, 1. Juli 1939] Das große Schweigen DRAMEN Jeremias Die Flucht zu Gott. Ein Epilog zu Leo Tolstois unvollendetem Drama »Das Licht scheinet in der Finsternis« Mein Operntext für Richard Strauss [Die schweigsame Frau] GEDICHTE NACHDICHTUNGEN QUELLENVERZEICHNIS
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