Gesammelte Werke. Band 2.1

Gesammelte Werke. Band 2.1

Einband:
Leinen-Einband
EAN:
9783882215175
Untertitel:
Visuelle Poesie
Genre:
Lyrik
Autor:
Gerhard Rühm
Herausgeber:
Matthes & Seitz Berlin
Auflage:
1. Auflage
Anzahl Seiten:
828
Erscheinungsdatum:
30.06.2007
ISBN:
978-3-88221-5

Parallel zu der lautlichen Dimension von Sprache schenkt Gerhard Rühm immer auch ihren visuellen Ausdrucksqualitäten Aufmerksamkeit. Seit 1955 experimentiert er durch »reduktion des gedichts auf die totalität des einzelnen begriffs« mit Formen »punktueller dichtung«, etwa in den »ein-wort-tafeln«. Schon ein Jahr zuvor entstehen konstellationen und ideogramme, die zum Teil ganz im Sinne Eugen Gomringers und anderer konkreter Dichter, aber unter Verzicht auf vordergründige Effekte eine Spannung von maximaler Ökonomie der Mittel und polyvalenter Semantik intendieren. Der Reiz des charakteristischen typovisuellen Gedichts der konkreten Poesie und der Technik der Konstellationen ist für Rühm allerdings rasch verbraucht, und so geht er bald von der Arbeit mit isoliertem Wortmaterial über zu komplexeren Gestaltungsformen, zu »Lesetexten« wie etwa in den Beispielen die frösche oder strümpfe fliegen, in denen die eingespielten Mechanismen von Sprach-, Denk- und erzählliterarischen Vermittlungsformen aufgebrochen werden, bis hin zu einem umfassenden Konzept visueller Poesie, das auch nichtsprachliche (wie etwa rein graphische) Elemente integriert. Die bis in die Gegenwart fortgeführte Linie textbildnerischer Arbeiten umfasst dabei »textbilder« (19551964), »textgrafik« (mit handschriftlichen Zusätzen zu typographischem Text) und »schriftzeichnungen«, die auf spontanem schriftlichen Ausdruck beruhen und psychische Gestimmtheiten graphisch fixieren; daneben entstehen in fortschreitender Erweiterung der Palette von Materialkomponenten neben Textcollagen auch »schriftfilme«, ein »farbengedicht«, »plastische texte«, »mobile texte«, »hauttexte«, »haptische texte« sowie objektkünstlerische Ansätze wie »einmachtexte« und Projekte wie eine »kondensstreifenpoesie«, mit denen Rühm in Bereiche der concept art vorstößt Der Avantgarde-Charakter seiner poetischen Praxis manifestiert sich bereits früh in künstlerischen Setzungshandlungen (Rühm signiert schriftliche Anschläge, gebraucht Löschpapiere und rückt sie auf diese Weise in den Kunstzusammenhang) und nicht zuletzt auch in der Tendenz, das Kunstwerk selbst durch den kunsttheoretischen Diskurs oder Kommentar zu ersetzen Dazu gehört auch, dass Gerhard Rühm in einer Reihe von theoretisch-programmatischen Aufsätzen und Bemerkungen immer wieder Einblick in seine Arbeitsweise und seine damit zusammenhängenden ästhetischen Grundsatzüberlegungen gibt.

Autorentext
Gerhard Rühm, geboren 1930 in Wien, ist Schrift­steller, Komponist und bildender Künstler. Der Mit­be­gründer der Wiener Gruppe war Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und Präsident der Grazer Autorenversammlung. Seine Arbeit, die im Grenzbereich von Musik, Sprache, Gestik und Visuellem angesiedelt ist, wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2007 mit dem Poetik-Preis der Alice-Salomon-Fachhochschule.Danksworte zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität zu KölnIch möchte an dieser Stelle der Universität Köln, die sich im deutschsprachigen Raum eines hervorragenden Rufes erfreut, für die Verleihung der Ehrendoktorwürde ganz herzlich danken. Die Auszeichnung bestärkt mich in meiner Arbeit, denn ich fasse sie als Anerkennung eines Lebenswerkes auf, das in seiner Kompromisslosigkeit gewiss nicht Jedermanns Geschmack entgegenkommt und sich eher außerhalb der etablierten Literaturszene bewegt. Es ist ja nicht nur meine Arbeit, die von ihr und damit von den öffentlichen Medien weitgehend ausgeblendet wird die ganze Richtung irritiert deren verengten Gesichtskreis. Diese Art von Literatur begnügt sich nicht mit unterhaltsamem Geschichtenerzählen, sie setzt sich vielmehr mit der Sprache selbst bis hin zu ihren Lautpartikeln kreativ auseinander, und das heißt mit grundsätzlichen Fragen des Ausdrucks und der Kommunikation.In ihrem oft analytischen Umgang mit der Sprache nicht zu vergessen die Musik- und Bildsprache bezieht sie durchaus wissenschaftliche Aspekte und Methoden mit ein. So verwischen sich nicht nur die Grenzen zwischen den einzelnen Kunstsparten, sondern auch die zum wissenschaftlichen Denken und Vorgehen. Ich erinnere nur an die elementare Bedeutung der Ausdrucks- und Wahrnehmungspsychologie für die gesamte künstlerische Produktion, aber auch an Einflüsse etwa der Chaostheorie, die bis in die Strukturierung des künstlerischen Materials wirksam werden kann, während Erkenntnisse der Quanten- und Astrophysik oder der Hirnforschung Konsequenzen für die eigene geistige Position und das ästhetische Selbstverständnis zeitigen können, ja sollten.Ähnlich forschenden Wissenschaftlern betreiben auch ernstzunehmende Künstler ihr Arbeit primär um der Sache selbst willen. Im Streben nach Erkenntnisgewinn und Bewusstseinserweiterung kann es kein Schielen auf die Zustimmung einer schnelllebigen Spaßgesellschaft geben. Die Marksteine der Kulturgeschichte entstammen nicht den Tagesproduktionen diverser Pop-»Ikonen« und Bestsellerautoren, wenn diese auch durchaus eine gesellschaftliche Funktion erfüllen mögen, sondern größtenteils dem Wirken unbequemer, meist missachteter Außenseiter die Zeiten, als ein Meisterwerk wie Döblins Berlin Alexanderplatz zum Bestseller werden konnte sind leider vorbei, und ein Jahrhundertwerk wie der Ulysses von Joyce war es nie. Es mag für Exponenten umstrittener Positionen etwas Tröstliches haben, dass im historischen Rückblick gerade das, was seinerzeit auf Unverständnis und Ablehnung stieß, sich als das Charakteristische erweist, das als exemplarisch im kulturellen Gedächtnis haften bleibt. Vor Kurzem fand ich einen schönen Satz von Albert Camus: »Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen«. In diesem Sinn möchte ich meine Dankesworte mit einem gewissen Optimismus beschließen.25. Januar 2010

Klappentext
Parallel zu der lautlichen Dimension von Sprache schenkt Gerhard Rühm immer auch ihren visuellen Ausdrucksqualitäten Aufmerksamkeit. Seit 1955 experimentiert er durch »reduktion des gedichts auf die totalität des einzelnen begriffs« mit Formen »punktueller dichtung«, etwa in den »ein-wort-tafeln«. Schon ein Jahr zuvor entstehen konstellationen und ideogramme, die - zum Teil ganz im Sinne Eugen Gomringers und anderer konkreter Dichter, aber unter Verzicht auf vordergründige Effekte - eine Spannung von maximaler Ökonomie der Mittel und polyvalenter Semantik intendieren. Der Reiz des charakteristischen typovisuellen Gedichts der konkreten Poesie und der Technik der Konstellationen ist für Rühm allerdings rasch verbraucht, und so geht er bald von der Arbeit mit isoliertem Wortmaterial über zu komplexeren Gestaltungsformen, zu »Lesetexten« wie etwa in den Beispielen "die frösche" oder "strümpfe fliegen", in denen die eingespielten Mechanismen von Sprach-, Denk- und erzählliterarischen Vermittlungsformen aufgebrochen werden, bis hin zu einem umfassenden Konzept visueller Poesie, das auch nichtsprachliche (wie etwa rein graphische) Elemente integriert. Die bis in die Gegenwart fortgeführte Linie textbildnerischer Arbeiten umfasst dabei »textbilder« (1955-1964), »textgrafik« (mit handschriftlichen Zusätzen zu typographischem Text) und »schriftzeichnungen«, die auf spontanem schriftlichen Ausdruck beruhen und psychische Gestimmtheiten graphisch fixieren; daneben entstehen in fortschreitender Erweiterung der Palette von Materialkomponenten neben Textcollagen auch »schriftfilme«, ein »farbengedicht«, »plastische texte«, »mobile texte«, »hauttexte«, »haptische texte« sowie objektkünstlerische Ansätze wie »einmachtexte« und Projekte wie eine »kondensstreifenpoesie«, mit denen Rühm in Bereiche der concept art vorstößt Der Avantgarde-Charakter seiner poetischen Praxis manifestiert sich bereits früh in künstlerischen Setzungshandlungen (Rühm signiert schriftliche Anschläge, gebraucht Löschpapiere und rückt sie auf di…


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