Korbinian Aigner

Korbinian Aigner

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783955510176
Untertitel:
Ein bayerischer Pfarrer zwischen Kirche, Obstgarten und Konzentrationslager
Genre:
Sonstige Religionsbücher
Autor:
Peter Brenner
Herausgeber:
Bauer-Verlag GmbH
Auflage:
durchgesehene Auflage
Anzahl Seiten:
200
Erscheinungsdatum:
23.09.2016
ISBN:
978-3-95551-017-6

Korbinian Aigner (1885-1966) war ein oberbayerischer Landpfarrer, ein herausragender Obstkundler und ein aufmerksamer Zeitgenosse, der seine regimekritischen Äußerungen mit Gefängnis- und KZ-Haft bezahlte. Berühmt wurde er nach seinem Tod durch seine Obstbildersammlung: fast 900 postkartengroße Aquarelle mit Apfel- und Birnenbildern. Seit ihrer Ausstellung bei der dOCUMENTA(13) ist diese Sammlung weit über pomologische Fachkreise hinaus bekannt geworden. Er vermachte die Bilder der Technischen Universität München; heute gehören sie zu den wertvollsten Beständen des TUM.Archivs. Peter J. Brenner, Direktor des TUM.Archivs, gibt hier erstmals eine zusammenfassende Würdigung von Leben, Werk und Wirkungsgeschichte Korbinian Aigners in den zeitgeschichtlichen Zusammenhängen.

Leseprobe
Vorwort von Wolfgang A. Herrmann Präsident der Technischen Universität München Seit seine Bilder bei der dOCUMENTA (13) im Jahre 2012 ausgestellt wurden, ist Korbinian Aigner zur Berühmtheit geworden. Als er vor 50 Jahren, am 5. Oktober 1966, in seiner Pfarrgemeinde Hohenbercha bei Freising starb, war an Ruhm nicht zu denken. Korbinian Aigner war ein einfacher Landpfarrer, der fest in seiner bayerischen Heimat verwurzelt war. An den vielen Orten seiner Priesterlaufbahn, die ihn vom Studienort Freising bis zu seiner letzten Pfarrgemeinde in Hohenbercha führte, hat er bleibende Spuren hinterlassen als Seelsorger, vor allem aber als Pomologe, als unermüdlicher Praktiker und Förderer des Obstbaus. Seit seiner Jugendzeit in Hohenpolding (Landkreis Erding), wo er erstmals einen Obstbauverein gründete, hat ihn diese Leidenschaft nie mehr losgelassen. An jeder Station seiner Priesterlaufbahn hat er sich intensiv und stets erfolgreich der Förderung des Obstbaus gewidmet nicht immer zur Freude seiner kirchlichen Vorgesetzten. Regelmäßig finden sich in seinen dienstlichen Beurteilungen die Hinweise, dass er sich mehr der Pomologie als der Theologie widme. Aus der Sicht seiner Vorgesetzten war das sicher nicht ganz falsch, aber für Korbinian Aigner schloss das eine das andere nicht aus. Für ihn spiegelte sich im Obstbau der Plan der göttlichen Schöpfung und er scheute keine Mühen, diese Sicht der Welt in seinen Pfarrgemeinden und besonders unter seinen Schülern zu verbreiten. Als Pomologe genoss er in den Jahrzehnten seines Wirkens höchste Anerkennung. Er war berühmt als profunder Kenner jeder Apfel- und Birnensorte, die in Deutschland greifbar war in einer Zeit, in der sich das Obstsortiment noch nicht auf ein Dutzend Sorten reduziert hatte, sondern Hunderte und Aberhunderte lokaler Sorten mit besonderen Eigenschaften zu finden waren. Korbinian Aigner war auch ein großer Organisator: Er gründete Obstvereine, leitete Bezirksverbände und war unmittelbar nach dem Krieg, von 1945 bis 1950, auch Vorsitzender des Bayerischen Landesverbandes für Obst- und Gartenbau. Als Pomologe ist Korbinian Aigner in Bayern eine Größe, die bis heute in Fachkreisen anerkannt wird. Was aber bei seinem Tod kaum jemand wusste, ist Jahrzehnte später immer mehr in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten: Korbinian Aigner war ein begnadeter Naturmaler. Bei seinem Tod hinterließ er der Technischen Hochschule München eine unschätzbare Sammlung, von deren Existenz zuvor kaum jemand etwas gewusst hatte. Über Jahrzehnte hinweg, wahrscheinlich schon seit seiner Schulzeit in München, bis zu seinem Tod hat er naturgetreue Bilder von allen ihm zugänglichen Apfel- und Birnensorten gemalt. Diese Bilder gehören heute zu den wichtigsten und wertvollsten Beständen im TUM.Archiv. Überliefert sind uns 601 Apfel- und 275 Birnenbilder; ursprünglich waren es wohl sehr viel mehr. Dass Korbinian Aigner seine Bilder bewusst der akademischen Nachwelt anvertraute, hat seinen Grund. Es ging ihm nämlich darum, das in diesen Bildern gespeicherte pomologische Wissen zu erhalten und weiterzugeben. Als er 1966 starb, war abzusehen, dass der Obstbau in Deutschland und Europa eine neue Entwicklung nehmen würde. Die enorme Sortenvielfalt, die er in seinen Bildern dokumentiert hatte, wurde seit den 1950er Jahren radikal auf wenige marktgängige Sorten reduziert. Für die kleinen, unwirtschaftlichen Sorten interessierten sich gerade noch die privaten Obstbauer. Korbinian Aigner verband mit seinen Bildern eine klare Absicht: Sie dienten der Unterrichtung. Er verwendete sie offensichtlich schon um 1910, in seiner Zeit als Obstvereinsvorsitzender in Hohenpolding, um die Bauern über die Möglichkeiten und Eigenheiten der verschiedenen Obstsorten zu unterweisen. In diesem Sinne wurden die Bilder auch nach Korbinian Aigners Tod weiter verwendet. Ein großes Standardwerk des Obstbaus, Willi Vottelers Verzeichnis der Apfel- und Birnensorten, verwendet sie als Anschauungsgrundlage für die pomologisch exakte Beschreibung der abgebildeten Früchte. Darum ging es Korbinian Aigner in erster Linie, und in diesem Sinne wollte er die Bilder verwendet wissen, als er sie der TH München (heute TUM) vermachte. In diesem Geiste hat der damalige Inhaber des Lehrstuhls für Obstbau, Prof. Günther Liebster, den Nachlass entgegengenommen. Es ist aber anders gekommen. Lange nach Korbinian Aigners Tod entfalteten die Bilder eine eigene Nachwirkung, weitgehend abgelöst von den Absichten ihres Urhebers. Dass es die Bilder gab, war in pomologischen Kreisen bekannt, Aufmerksamkeit haben sie jedoch kaum gefunden. Gelegentlich wurde aus verschiedenen Anlässen an den Apfelpfarrer Korbinian Aigner erinnert, aber diese Erinnerungen blieben auf den regionalen Raum und Freunde der Pomologie beschränkt. 1992 gab es dann eine größere Ausstellung der Bilder im Münchner Rathaus, welche die Öffentlichkeit erstmals aufhorchen ließ. 2012 wurden die Bilder bei der dOCUMENTA (13) gezeigt. Seitdem wurden sie buchstäblich weltberühmt. Das TUM.Archiv erreichen Anfragen um Leihgaben und Abdruckrechte aus der ganzen Welt; zuletzt wurden Aigner-Bilder in Warschau und in New York gezeigt. Sie werden längst nicht mehr als pomologische Unterrichtswerke, sondern als Kunstwerke, gar als Beispiele von Konzeptkunst, betrachtet. Ob das ein angemessener Zugang zu Aigners Bildern ist, kann dahingestellt bleiben. Seine Absicht war es gewiss nicht, Konzeptkunst zu schaffen, vielmehr wollte er Lehrmaterialien anbieten. Aber unverkennbar haben die Bilder einen ästhetischen Überschuss, der über ihre lehrhafte Komponente hinausreicht. Korbinian Aigner war ein ungeschulter, aber hochbegabter Maler, dem es gelang, Objekte der Natur in minuziöser Sorgfalt zu zeichnen. Dabei stand er eher in der Tradition Albrecht Dürers, und ganz gewiss nicht in der Tradition der künstlerischen Moderne eines Cézanne oder gar der Konzeptkunst. Aber Korbinian Aigner war nicht nur der Apfelpfarrer, als den er sich ohnehin nur ungern bezeichnen ließ. Er war zugleich ein Geistlicher, der seine seelsorgerischen Pflichten aufs Engste mit seinen obstkundlichen Interessen verband. Vor allem der Jugend versuchte er nahezubringen, dass sich im Obstbau als der Poesie der Landwirtschaft, wie er gerne sagte, auch ein Schöpfungsplan ablesen ließ. Und schließlich war Korbinian Aigner ein scharfsinniger, kritisch beobachtender Zeitzeuge, der früher als die meisten schon in den 1920er Jahren erkannte, worauf der Siegeszug des Nationalsozialismus hinauslief. Auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten scheute er das offene Wort von der Kanzel herab nicht. 1939 wurde er wegen seiner regimekritischen Äußerungen denunziert, später verhaftet und zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt denen fünf Jahre Haft im Konzentrationslager folgten, zunächst in Sachsenhausen und ab Oktober 1941 in Dachau. Nach seiner Flucht im April 1945 aus dem Todesmarsch am Starnberger See kehrte er zurück in seine Pfarrgemeinde Hohenbercha, wo er am 5. Oktober 1966 im Alter von 81 Jahren starb hoch angesehen nicht nur in seiner Gemeinde, Träger des Bayerischen Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes und weithin anerkannter Obstexperte. D…


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