Einband:
Kartonierter Einband
Untertitel:
Prinzipien der Rechtsgestaltung in der Rechtstheorie um 1900.
Autor:
Anna Babette Stier
Herausgeber:
Duncker & Humblot GmbH
Erscheinungsdatum:
31.03.2006
Das von Rudolf Stammler formulierte "richtige Recht" war der Versuch, die nach Hegels Tod unter dem Druck des naturwissenschaftlichen Paradigmas in Mißkredit geratene Rechtsphilosophie neu zu konstruieren, ohne sich dem Vorwurf der metaphysischen Spekulation auszusetzen. Die Kontroverse um Stammlers erkenntniskritische Auflösung der Richtigkeitsfrage führte zu materialen Ansätzen, mit denen gegenüber Stammlers formaler Rechtsidee bedingte und inhaltsvolle Maßstäbe als richtiges Recht formuliert wurden. Aus dem Spektrum der um 1900 vorliegenden Konzepte werden jene untersucht, die auf den Entwicklungsgedanken und den Kulturbegriff rekurrieren. Neben naturwissenschaftlich geprägten Ansätzen Merkels und Liszts findet insbesondere das idealistisch-neuhegelianische Denken Kohlers und Berolzheimers Berücksichtigung. Die Orientierung am entwicklungsgeschichtlichen und kulturellen Kontext führt zu einer Öffnung des Rechts gegenüber vermeintlich voraussetzungslos der Wirklichkeit entnehmbaren Strukturen und Inhalten, ohne daß die Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung reflektiert wird.
Zusammenfassung
»Dem großen Weltdeuter Niklas Luhmann verdanken wir die Einsicht, daß es sich beim Begriff der 'Kultur' um einen der schlimmsten Begriffe handelt, die je gebildet worden sind. Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, so könnte sich Anna Babette Stier zugute halten, diesen Beweis mit ihrer Dissertation in bravouröser Weise erbracht zu haben. Ihre Beobachtung und Beschreibung der Versuche einer Neubelebung der Rechtsphilosophie um 1900 vermittelt ein eindrucksvolles Bild davon, in welch fragwürdiger Weise dabei der Tendenz nachgegeben wurde, das Recht an der Kulturanschauung einer bestimmten Zeit zu orientieren und es zugleich an jeglichem Problembewußtsein für eine mögliche ideologische Vereinnahmung solcher notwendigerweise offenen 'Theoriekonzepte' fehlen zu lassen. [...] Alles in allem eine in jeder Hinsicht gelungene Dissertation: Ein Thema, das es erst einmal zu entdecken galt; Dank für die analytisch geschulte Beobachtung und Beschreibung einer rechtsphilosophischen Strömung aus der souverän-distanzierten Perspektive einer Rechtshistorikerin; und nicht zuletzt Gratulation zur Erarbeitung von Forschungsergebnissen, die vor allem den Rechtsphilosophen, die noch heute auf der Suche nach dem 'richtigen Recht' sind, zu denken geben sollte.«
Martin Schulte, in: Rechtsgeschichte. Zeitschrift des Max-Plack-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte, 10/2007
Inhalt
Inhaltsübersicht: Einleitung - I. Recht, Wirtschaft und Rechtsidee - Das "richtige Recht" bei Stammler: Die zunehmende Frage der Wirtschaft und das Problem der sozialen Frage - Rechts- und Wirtschaftsphilosophie. Die Bedeutung von Sozialethik und Humanitätsidee (Berolzheimer) - Der Einfluß der wirtschaftlichen Veränderungen auf die juristische Methode und das Selbstverständnis der Rechtswissenschaften (Exkurs) - Die logische Priorität des Rechts. Das Verhältnis von Wirtschaft und Recht als Form und Materie (Stammler) - Der "Kreislauf des sozialen Lebens". Stammlers Modell gesellschaftlicher Entwicklung - Die Idee des Rechts. Erkenntniskritischer Ansatz vs. Entwicklungsdenken - II. Der Entwicklungsgedanke: Der Stellenwert der Rechtsvergleichung. Universalrechtsgeschichte und ethnologischen Jurisprudenz - Zum Begriff der Entwicklung - Der Entwicklungsbegriff in der Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert - Der Entwicklungsgedanke in der Rechtsphilosophie und Rechtstheorie um die Jahrhundertwende - Die zeitgenössische Kritik an der Entwicklungsbetrachtung - Entwicklung und richtiges Recht. Zusammenfassung zur Bedeutung des Entwicklungsbegriffs - III. Die Bedeutung des Rechtsbewußtseins und der allgemeinen Kulturanschauungen für das Recht: Der Volksgeist der Historischen Schule und die hervortretende Bedeutung des Rechtsgefühls - Kulturstufe und allgemeines Rechtsbewußtsein (Berolzheimer und Kohler) - Die Forderungen der Kultur. M. E. Mayers Kulturnormentheorie - Die Bedeutung der allgemeinen Rechts- und Gerechtigkeitsanschauungen für eine soziale Betrachtungsweise (Merkel und Jellinek) - Allgemeine Kulturanschauungen und die Entwicklung historischer Standards - Schlußbetrachtung - Literatur-, Personen- und Sachverzeichnis
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