Einband:
Kartonierter Einband
Untertitel:
Duncker & Humblot reprints
Herausgeber:
Duncker & Humblot
Erscheinungsdatum:
24.06.2013
Der Philosoph Franz Brentano (18381917) stammt aus der berühmten Familie Brentano. Der Band aus dem Jahr 1907 enthält drei Vorträge, die belegen, wie eng Brentanos Philosophie mit der Psychologie verbunden ist: In der Wiener Philosophischen Gesellschaft hat er am 29. Januar 1893 einen Vortrag zum Thema »Vom phänomenalen Grün« gehalten. Drei Jahre später, am 7. August 1896, hat Brentano beim Internationalen Kongreß für Psychologie in München »Über die Individuation, multiple Qualität und Intensität sinnlicher Erscheinungen« gesprochen. Während er am 27. August 1905 dem Internationalen Kongreß für Psychologie in Rom seine Gedanken »Von der psychologischen Analyse der Tonqualitäten in ihre eigentlich ersten Elemente« vorgestellt hat.
Autorentext
»Philosoph, * 16.1.1838 Marienberg bei Boppard, 17.3.1917 Zürich. (katholisch, dann konfessionslos) Brentano studierte nach Absolvierung des Gymnasiums zu Aschaffenburg zuerst am dortigen Lyzeum, dann (1856 60) in München, Würzburg, Berlin und Münster Philosophie; doch hörte er auch mathematische, geschichtliche und theologische Vorlesungen. In der Theologie sah er in orthodoxer katholischer Kirchlichkeit erzogen damals sein Lebensziel. Der Einfluß F. A. Trendelenburgs bewirkte, daß Brentano seine wissenschaftliche Laufbahn als Aristoteles-Forscher begann. Auf Grund seiner ersten Veröffentlichung Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles wurde er 1862 in Tübingen in absentia zum Dr. phil. promoviert. Nach weiteren theologischen Studien im Grazer Dominikaner-Kloster (wo er sich mit H. Denifle befreundete), in München (wo er auch I. v. Döllinger kennen lernte) und in Würzburg empfing er dort (1864) die ersten Weihen. Doch blieb ihm die Philosophie nach wie vor die alleinige Führerin zur Wahrheit und zur Rechtfertigung seines religiösen Bekenntnisses. Mit seinem zweiten Buche über Die Psychologie des Aristoteles habilitierte sich Brentano 1866 in Würzburg. Seine Lehrerfolge übertrafen alle Erwartungen. Sie begannen bereits bei der Verteidigung seiner 25 Habilitations-Thesen, die ihn ebenso wie seine Probevorlesung über Schelling als Kämpfer gegen jede Art von Unwissenschaftlichkeit in der Philosophie zeigten. In den nächsten Jahren machte die Vorbereitung und die schließliche Verkündigung des Unfehlbarkeits-Dogmas für Brentano seine latent schon vorher bestehende Glaubenskrise akut. 1872 erhielt er eine außerordentliche Professur in Würzburg; aber schon im nächsten Jahre legte er sie nieder; denn er hatte inzwischen seinen Entschluß, aus der Kirche auszutreten, verwirklicht. Zu einem Verächter der Kirche ist er gleichwohl niemals geworden; er hat ihre großen kulturellen Leistungen immer anerkannt. 1874 erschien Brentanos berühmtestes Werk Psychologie vom empirischen Standpunkt . Im gleichen Jahre berief ihn der liberale Minister K. v. Stremayr an die Universität Wien als Ordinarius. Sechs Jahre lehrte er dort unangefochten, bis dem Konfessionslosen seine klerikale Vergangenheit zum Verhängnis wurde. Die Kompliziertheit der österreichischen Gesetzgebung bot nämlich seinen reaktionären Gegnern eine Handhabe, seine beabsichtigte Eheschließung in Österreich unmöglich zu machen. Brentano ließ sich nun in Leipzig trauen; aber mit dem Staatenwechsel verlor er auch seine Professur. Da er aber den ihm lieb gewordenen Wirkungskreis nicht verlieren wollte, habilitierte er sich noch einmal in Wien und blieb dort bis 1895. Er fand schließlich in Florenz einen neuen Wohnsitz; doch brachte er den Sommer regelmäßig in seinem Landhaus in Schönbühel bei Melk zu. 1915 vertrieben ihn die Kriegsereignisse nach Zürich, wo den inzwischen Erblindeten der Tod ereilte. Brentano hat infolge seiner großen Strenge gegen sich selbst nur wenig veröffentlicht, aber gleichwohl die Philosophie unserer Zeit ganz außerordentlich beeinflußt durch seine zahlreichen Schüler, u.a. C. Stumpf, A. Marty, A. v. Meinong, A. Höfler, Ch. v. Ehrenfels, F. Hillebrand, E. Utitz, H. Bergmann, K. Twardowski (der Lehrer von Jan Lukasiewicz, dem Begründer der polnischen Logikerschule) und T. G. Masaryk (der erste tschechische Staatspräsident). Auch Männer von so verschiedener Geistesrichtung wie Brentanos Neffe Graf Hertling und der Modernistenführer H. Schell haben von Brentano Anregungen empfangen. Am treuesten hielten A. Marty und mehr noch dessen und Brentanos Schüler A. Kastil und O. Kraus an der Lehre des Meisters fest; am weitesten entfernte sich E. Husserl von ihr, indem er Kant und dem deutschen Idealismus beträchtliche Zugeständnisse machte Richtungen, deren entschiedenste Bekämpfung sich Brentano fast zur Lebensaufgabe gemacht hatte. In seiner Wiener Abschiedsvorlesung über Die vier Phasen der Philosophie (1895) hat Brentano das mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht: Die Philosophie zeigt nicht den stetigen Fortschritt der anderen Wissenschaften, sondern ähnlich wie Kunst und Dichtung ein wechselndes Auf und Ab der Entwicklung: einer aufsteigenden Phase folgen drei Phasen des Abstiegs; der nach Brentano schon mit Kant einsetzende deutsche Idealismus gehört der vierten Phase an. Brentano verkennt durchaus nicht den Wert und die Größe sowie die Fülle von Anregungen dieser Philosophie; er bestreitet nur, daß diese Anregungen mit der Sicherheit logisch-wissenschaftlicher Strenge zur Wahrheit führen können: zu der Wahrheit, die für alle Wesen nur eine ist. Brentano ist der entschiedenste Gegner jedes Relativismus und Psychologismus. Damit verträgt es sich durchaus, daß nach ihm die deskriptive oder Phänomenale Psychsologie (die er früher auch Phänomenologie genannt hat) die philosophische Grundwissenschaft ist; denn sie ist die exakte Beschreibung u.a. auch derjenigen Tatsachen, die als logisches Denken und Erkennen, als ethisches Wollen und als ästhetisches Wohlgefallen die Grundlagen für das Verständnis wichtiger philosophischer Disziplinen abgeben. Das alles sind offenbar Bewußtseins-Tatsachen oder psychische Phänomene (wie sie Brentano mißverständlich nannte). Sogar für die Metaphysik glaubte er eine ähnliche psychologische Fundierung aufzeigen zu können. Um das Wesen der psychischen Phänomene herauszuarbeiten, verwendete Brentano die sog. Intentionalität , d.h. das Gerichtetsein des Bewußtseins auf etwas. Dieses Etwas ist nicht (wie Brentano früher im Anschluß an die Scholastik annahm) durch intentionale (mentale) Inexistenz gekennzeichnet, sondern von vornherein als transzendent gegeben was nicht heißt, daß es auch transzendent existiert. Die Beziehung der Intentionalität hat keine Analogie in der äußeren Welt und unterscheidet daher die psychischen Phänomene (heute meist Akte genannt) von den physischen . Wird im psychischen Akt des Wahrnehmens etwas Physisches (z. B. der Mond) wahrgenommen, so ist die Tatsache des Wahrnehmens selbst, d.h. das Urteil, daß ich etwas wahrnehme, unmittelbar evident, d.h. als gewiß einleuchtend, so daß jeder Zweifel daran absurd wäre ( Evidenz der inneren Wahrnehmung ). Dagegen gibt es keine Garantie, ob das wahrgenommene physische Gebilde tatsächlich existiert ( Mangel der äußeren Evidenz ). Jeder psychische Akt intendiert also zwei Objekte: ein primäres (das jeweils Gesehene, Gedachte usw.) und ein sekundäres (mein Sehen, Denken usw. dieses primären Objektes). Nur die unmittelbar gegenwärtige innere Wahrnehmung ist evident, nicht aber die Selbst-Beobachtung: denn Beobachtung verlangt Aufmerksamkeit und diese zerstört das jeweilige Akt-Erlebnis. Das Seelenleben vollzieht sich ausschließlich in Bewußtseins-Erlebnissen; das sog. Unbewußte lehnte Brentano ab. Die Erlebnisse zerfallen in drei Klassen: Vorstellen (wovon Wahrnehmen als Spezialfall gilt), Urteilen und Gemütsbewegungen. Das Urteilen ist nicht auf Vorstellungsverknüpfungen u. dgl. zurückzuführen; es besteht (irreduzibel) im als wahr Anerkennen und als falsch Verwerfen . Das führt zum Wahrheitsproblem. Hier hielt Brentano lange Zeit an der alten Adäquations-Theorie fest, gab sie zuletzt aber auf mit der Begründung, d…
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