Einband:
Kartonierter Einband
Untertitel:
Duncker & Humblot reprints
Genre:
Arbeits-, Wirtschafts- & Industriesoziologie
Herausgeber:
Duncker & Humblot
Im Rahmen des Projekts »Duncker & Humblot reprints« heben wir Schätze aus dem Programm der ersten rund 150 Jahre unserer Verlagsgeschichte, von der Gründung 1798 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Lange vergriffene Klassiker und Fundstücke aus den Bereichen Rechts- und Staatswissenschaften, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Geschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft werden nach langer Zeit wieder verfügbar gemacht.
Autorentext
»Nationalökonom, * 27.6.1863 Reichenberg (Böhmen), 27.5.1932 Berlin. (katholisch, später Dissident)
1882 nahm Herkner nach einer vorübergehenden Betätigung als landwirtschaftlicher Volontär in Wien das Universitätsstudium auf, das er in Leipzig (1883/84), Berlin (1884/85), Freiburg im Breisgau (1885) und schließlich in Straßburg fortsetzte. Hier führte er auf Veranlassung seines Lehrers Lujo Brentano eine umfangreiche und viel beachtete Untersuchung über 'Die oberelsäss. Baumwollindustrie und ihre Arbeiter' (1887) durch (Promotion zum doctor rerum politicarum 1887). Nach einer Reise in die Niederlande, nach Frankreich und England und nach längerem Aufenthalt in Wien übernahm er 1888 in Freiburg im Breisgau eine Dozentur mit Lehrauftrag und wurde 1889 zum planmäßigen Extraordinarius ernannt. 1892 folgte er einem Ruf auf den wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstuhl an der TH Karlsruhe. Während dieser Tätigkeit schrieb er sein Buch 'Die Arbeiterfrage' (1894, 1922, russisch, polnisch, finnisch, griechisch u. spanisch Übersetzungen). 1898 ging er als Ordinarius an die Universität Zürich, 1907 wurde er Professor an der TH Berlin und 1912 auf Vorschlag von G. Schmoller dessen Nachfolger an der Berliner Universität. - Herkner war bereits 1911 zum Vizepräsidenten des 'Vereins für Sozialpolitik' gewählt worden und leitete die Geschäfte der Vereinigung, der er dann 1917-29 als 1. Vorsitzender vorstand. Außerdem wurde er 1920 von der Reichsregierung als Mitglied in den vorläufigen Reichswirtschaftsrat berufen.
Herkners Arbeit war fast ausschließlich der Sozialpolitik gewidmet. Das Interesse für ihre vielseitigen Fragen war in Herkner schon frühzeitig lebendig, da ihm bereits durch die enge Berührung mit der Arbeiterschaft seines väterlichen Betriebes und durch den Besuch der Volksschule die bittere Armut weiter Bevölkerungskreise zum Bewußtsein gelangt war. Die von ihm in jahrelanger Forschung erarbeitete Konzeption einer theoretisch fundierten Sozialpolitik wurde durch eine Reihe grundlegender Aspekte richtungweisend. Herkner vertrat die Auffassung, daß die soziale Reform nicht nur aus Gründen der Humanität und der Staatsräson angestrebt werden müsse, sondern daß sie vielmehr ein 'Gebot des wirtschaftlichen Fortschritts' sei, da sie nicht leistungsmindernd, sondern leistungssteigernd wirke und daher in nachhaltiger Weise zur Erhöhung des Sozialproduktes beitrage, ohne daß die Grundlagen der bestehenden Wirtschaftsordnung, des privaten Eigentums und der Selbstverantwortung aufgehoben werden müßten. Zugleich zeigte Herkner die Begrenztheit sozialpolitischer Eingriffe in den Wirtschaftsablauf auf und vertrat die Ansicht, daß die Sozialpolitik die Lebensbedingungen des bestehenden Wirtschaftssystems achten müsse und daß daher eine 'Autonomie der Sozialpolitik' nicht möglich sei. Ferner befaßte er sich mit den psychischen Wirkungen des industriellen Arbeitsprozesses und betonte, daß Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen und ähnliche Maßnahmen für eine Aussöhnung der Industriearbeiter mit ihrem Schicksal nicht ausreichend seien. Vielmehr könne eine Lösung dieser Frage nur erreicht werden, wenn es gelänge, der industriellen Berufsarbeit einen seelischen, menschlich befriedigenden Inhalt zu geben. Schließlich darf nach Herkners Auffassung die Sozialpolitik nicht auf durch die Industrialisierung bedingte Fragen beschränkt bleiben, sondern es müsse auch die Gesundung agrarischer Verhältnisse mit dem Ziel angestrebt werden, daß auch die Landwirtschaft in der Lage sei, Chancen zu einer selbständigen Berufsarbeit zu bieten.«
Stavenhagen, Gerhard, in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 622
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