Einband:
Kartonierter Einband
Untertitel:
Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf ein gesellschaftliches Phänomen
Genre:
Sozialstrukturforschung
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Prekäre Arbeitsverhältnisse machen es vielen Menschen unmöglich, von nur einem Job zu leben oder gar langfristig zu planen. Die Autorinnen und Autoren untersuchen die unterschiedlichen Perspektiven in der öffentlichen Diskussion über diese Thematik und analysieren in Fallstudien, was unsichere Arbeitsund Lebensbedingungen für die Betroffenen bedeuten und wie diese ihre Situation gestalten.
Autorentext
Irene Götz ist Professorin am Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der LMU München. Barbara Lemberger ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Klappentext
Prekäre Arbeitsverhältnisse machen es vielen Menschen unmöglich, von nur einem Job zu leben oder gar langfristig zu planen. Die Autorinnen und Autoren untersuchen die unterschiedlichen Perspektiven in der öffentlichen Diskussion über diese Thematik und analysieren in Fallstudien, was unsichere Arbeitsund Lebensbedingungen für die Betroffenen bedeuten und wie diese ihre Situation gestalten.
Leseprobe
Prekär arbeiten, prekär leben Einige Überlegungen zur Einführung Irene Götz, Barbara Lemberger "Prekarität ist überall" Pierre Bourdieu betonte bereits 1998 in seinem Essay "Prekarität ist überall" die demoralisierende Wirkung der zunehmenden Prekaritätserfahrung, die Zeit- und Planungshorizonte der Akteure verkürze. Zehn Jahre später ist die öffentliche Rede über neue Armut und die Abstiegsängste, von denen die mittleren Schichten ebenfalls zunehmend erfasst werden, in der Politik und Wissenschaft auch hierzulande angekommen. Ungesicherte und kurzfristige Arbeitsverhältnisse, die immer häufiger nicht zum Lebenserhalt reichen, und ihre ökonomischen und psychosozialen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft werden dabei im öffentlichen Raum aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Die Auseinandersetzung mit der Perspektivität der Diskussion bildet einen Leitfaden des vorliegenden Bandes, der auf eine interdisziplinäre Vortragsreihe über "Prekariat und Prekarisierung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive" am Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität München im Wintersemester 2007/08 zurückgeht. Einige Beiträge, besonders im ersten Teil des Buches, dekonstruieren hierfür den Umgang mit "Prekariat" und "Prekarisierung" als Interpretament und Instrument im sozialen Raum. Sie verfolgen die Frage, wie Prozesse und Erfahrungen der "Prekarisierung" in den Feldern der Wissenschaft, der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, gezielter Unternehmensstrategien oder im Feld der Medien erzeugt und bearbeitet werden. Generell verweisen "Prekariat" und "Prekarisierung" auf strukturelle Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft, wo die verstärkte Marktsteuerung mit ihrer flexibilisierten Arbeit ehemals Angestellte zunehmend zu "Unternehmern" in Sachen Selbstvermarktung ihrer eigenen Arbeitskraft macht. Hier wird der ungebundene Berater zum Leitbild, verkörpert beispielsweise von Finanzdienstleistern und Versicherungsmaklern. Analog dazu macht der Sozialstaat im Umbau den Bürger zum Kunden. Selbstöko nomisierung und Subjektivierung gehen in der "Kultur des neuen Kapitalismus " (Sennett 1998) oft mit sozialen Desintegrationsprozessen und mit verletzter Würde einher, und Leitbilder des Fordismus werden dysfunktional: Verlässlichkeit, Berufserfahrung, einmal erworbene Qualifikationen und handwerkliches Können sorgen nicht mehr unbedingt dafür, dass man Arbeit hat und behält. Die pyramidenförmige bürokratische Organisation des fordistischen Unternehmens mit klaren Hierarchien und den von Max Weber einst identifizierten quasi-militärischen Befehlsketten des "stahlharten Gehäuses", in dem der einzelne Routine erfuhr - im positiven Sinn von Sicherheit und klaren Karrierewegen wie im negativen Sinn der Monotonie und Stagnation - löst sich in fluideren, projektorientierten und netzwerkartigen Arbeitszusammenhängen auf (vgl. z. B. Boltanski/Chiapello 2003: 142-202)1: Der Angestellte - oder immer häufiger der "freie Mitarbeiter" - wird zum "Drifter" in unberechenbaren und wechselhaften Beschäftigungsverhältnissen mit diffuseren Verantwortlichkeiten einer schwer auszumachenden "Zentrale". Diese äußeren Bedingungen "entbetten " ihn (oder sie), erschweren Planungs- und Zukunftsorientierung oder auch Familiengründungen, erzwingen räumliche und permanente geistige "Beweglichkeit" als Grundvoraussetzung für die vom "flexiblen Menschen " stets neu unter Beweis zu stellende employability. Soziale Spaltungen und Brüche in den Biografien sind häufig beklagte Folgen (Schultheis 2007, Seifert/Götz/Huber 2007). Im Gegensatz zu diesen eher kulturpessimistischen Betrachtungen von Kapitalismuskritikern wie Richard Sennett wird dagegen in neoliberalen Diskursen von der "neuen Selbständigkeit" als Wegbereiter weg von einer, wie es heißt, den Aufschwung blockierenden Erwartungshaltung, hin zu einer neuen Global Entrepreneurship-Mentalität gefeiert. Wer Kreativität und Eigenverantwortung zeigen will, entscheidet sich aktiv für die Selbständigkeit: So werben nicht nur einschlägige mediale Partizipationsdiskurse, sondern so feiert etwa auch die sogenannte digitale Bohème, eine junge urbane Szene Kulturschaffender, ihr von multiplen Entgrenzungen und Stilisie rungen geprägtes Lebensmodell als Abgesang auf das Joch der lebenslangen Festanstellung (Friebe/Lobo 2006). Ein weiterer Diskussionsstrang rund um postoperaistische Theoretikerinnen und Theoretiker2 der neuen Linken begreift Prekarisierung nicht nur "als die Ausbeutung der Arbeitskraft", sondern versteht darunter die "Ausbeutung eines diskontinuierlichen, mehr oder weniger zumutbaren Alltags" (Pieper/Panagiotidis/Tsianos 2009: 342).3 Den Ausgangspunkt dieser Debatte bildet ein umfassender Begriff von Arbeit und Produktivität, der über "Erwerbsarbeit" und "materielle Produktionsgüter" hinausgeht. Sie wendet sich insbesondere gegen eine "falsche" Dichotomisierung von Prekarität, die, verkürzt gesagt, ein "abgehängtes Erwerbslosen-Prekariat " auf der einen Seite und die selbstbestimmten Akademikerinnen und Akademiker als "Luxusprekarisierte" (Pieper/Panagiotidis/Tsianos 2009: 343) auf der anderen Seite konstruiert. Zusammengefasst: Wie Prekarisierung und Prekarität thematisiert, definiert, bewertet und erfahren wird, ist von vielen Faktoren wie Alter, Milieu, sozialer, regionaler und politischer Herkunft und vorhandenen Kapitalsorten, insbesondere auch von traditionalen Orientierungen, etwa hierzulande häufig an einem "Normalarbeitsverhältnis" des fordistischen Wohlfahrtstaates, abhängig. Hier, bei der Perspektivität und Mehrdimensionalität dieser Problematik, kommt eine Stärke kulturwissenschaftlichen Arbeitens ins Spiel, die exemplarisch in verschiedenen Facetten zu erkunden Ziel dieses Bandes ist. Sie vermag die Innenseite des Geschehens zu erhellen und in Einzelfallstudien die Akteursperspektiven auszuloten. Aus diesen Innensichten heraus erschließt sich das individuelle und je nach Milieu und Wertehorizont anders erfahrene und "kreativ" bearbeitete Verhältnis von Zwang und Chance, das den ungesicherten und kurzfristigen Arbeitsverhältnissen prinzipiell innewohnt. Entsprechend stellt vor allem der zweite Teil des Bandes - mit Schwerpunkt auf der Mikroperspektive - Akteurssichten und unterschiedlich ausgeprägte ambivalente Haltungen gegenüber den prekären Arbeitsverhältnissen am Beispiel unterschiedlicher Tätigkeitsprofile und Qualifikationsniveaus vor. Der Beitrag von Andrea Hauser setzt sich mit den Lebensverhältnissen von Lohnarbeitern im Frühkapitalismus auseinander und fragt, inwieweit sich aus historischer Perspektive - und hier auch in der ländlichen Gesellschaft - von Prekarisierungserfahrungen sprechen lässt und inwieweit Prekariat und Prekarisierung überhaupt neue Phänomene sind. Verweisen manche der neuen ungesicherten Arbeitsbedingungen und im Besonderen die Tätigkeitsbricollagen (vgl. Warneken 2006: 121-125) nicht geradezu zurück a…
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