Jüdisches Denken: Theologie - Philosophie - Mystik

Jüdisches Denken: Theologie - Philosophie - Mystik

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783593391410
Untertitel:
Band 4: Zionismus und Schoah
Genre:
Judentum
Autor:
Karl Erich Grözinger
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
2. Aufl.
Anzahl Seiten:
660
Erscheinungsdatum:
12.08.2015
ISBN:
978-3-593-39141-0

Der Zionismus und die Schoah sind epochale Wendepunkte sowohl in der jüdischen Geschichte als auch im jüdischen Denken. Der Zionismus brach mit dem "Exil- Judentum", gab die alten typologischen Geschichtsvorstellungen auf und schob das rabbinisch- messianische Erlösungskonzept beiseite. Der Genozid an den europäischen Juden führte zu einer weitgreifenden Debatte über die Schlussfolgerungen, die aus dieser Katastrophe zu ziehen seien, und löste Fragen der Politik, der Theologie, der Philosophie, der jüdischen Identität und der Zukunftsgestaltung des jüdischen Volkes aus. Auch wenn beide Ereignisse nicht ursächlich miteinander verbunden sind, wurden sie zunehmend im Denken zusammen gesehen: die Staatsgründung Israels (1948) als letzter psychologischer, religiöser und physischer Rettungsanker für die Weiterexistenz des Judentums nach der Schoah. Dieser Neujustierung des Judentums durch Schoah und zionistischer Staatsgründung ist Band 4 gewidmet.

»Mit Band 5 von Jüdisches Denken hat Karl Erich Grözinger ein Werk abgeschlossen, das nicht nur Bewunderung verdient, sondern auch auf Jahrzehnte hinaus das unüberholbare Standardwerk für alle, die sich mit jüdischen Studien befassen, bleiben wird.« Micha Brumlik, Das Historisch-Politische Buch, Jahrgang 68, Heft 1 »[Karl Erich Grözinger ] hat der deutschen Judaistik ein stolzes Monument errichtet. [] Er hat in einem gewaltigen Kraftakt bewiesen, dass sich kritische Werkanalyse und synthetische Gesamtschau, philologische Genauigkeit und philosophische, theologische und politische Relevanz keineswegs ausschließen müssen.« Daniel Krochmalnik, Jüdische Rundschau, März 2020 »Grözingers Buch ist ein erschöpfender Gang durch die Geschichte des jüdischen Denkens, der die Verästelungen des Zionismus darlegt und klar und deutlich zeigt, wie er sich entwickelt hat und immer noch weiter entwickelt.« Miriam Magall, Jüdisches Leben in Bayern, 18.04.2016 »Es gibt keine vergleichbare Gesamtdarstellung weltweit: nicht was den bloßen Umfang betrifft, aber auch nicht, was die geistige Flexibilität angeht, die jeden der fünf Bände als eigenständige Lektüre lohnenswert macht um das Mindeste zu sagen.« Thomas Meyer, Foreign Entanglements: Transnational American Jewish Studies, Journal of the Association for Jewish Studies in Germany, No. 27, 2021 Übers Gesamtwerk; Bände 15 »[Karl Erich] Grözinger ist ein Werk ganz eigener Gattung gelungen, das über ein übliches Handbuch weit hinausreicht und auch seine eigenen Maßstäbe setzt.« Carsten Wilke, Aschkenas 2022; 32(1): 189196

Autorentext
Karl Erich Grözinger ist Professor emeritus für Religionswissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam und war Senior Professor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Er ist Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung, der ältesten und von ihm seit 2007 wiederbelebten jüdischen Stiftung in Deutschland.

Leseprobe
EINFÜHRUNG

1. Zionismus und Schoah - Wendepunkte der jüdischen Geschichte und des jüdischen Denkens

Der Zionismus und die Schoah sind jedes für sich und beide zusammen nicht nur epochale Wendepunkte in der jüdischen Geschichte, sondern ebenso im jüdischen Denken. Der Zionismus hat mit dem Denken des "Exil-Judentums" gebrochen, hat die alten typologischen Geschichtsvorstellungen aufgegeben, das rabbinische messianische Erlösungskonzept beiseitegeschoben und ist in die politische Geschichte zurückgekehrt. Das gottergebene Warten auf die Rückführung des Volkes Israel in das verheißene Land, das Bewusstsein, in einem alte Sünden sühnenden Exil dulden zu müssen, all dies sollte nun nicht mehr gelten. Neue Formen der Selbsteinschätzung und Identitätsbestimmung sowie daraus abgeleitete Handlungsmaximen stellten in vielen Bereichen einen vollkommenen Bruch mit der rabbinischen Vergangenheit dar, wie sie seit der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahre 70 der bürgerlichen Zeitrechnung gegolten hatten. Hier wird ein neues Judentum gebaut, welches das zweitausendjährige "Exil-Judentum" ablösen wollte und sollte - dies gilt in gewisser Weise nicht nur für die säkularen, sondern auch für die religiösen Formen des modernen Zionismus.
Ganz anders aber genauso grundlegend hat die Schoah das jüdische Denken in neue Bahnen gelenkt. Natürlich gab und gibt es bis heute orthodoxe Denkweisen, welche die Schoah nur als ein weiteres Glied der jahrtausendealten Verfolgungs- und Exils-Geschichte Israels sehen wollen und nach deren Ansicht hier kein qualitativ neues Geschehen stattgefunden hatte. Aber eine Vielzahl - gerade der fortschrittlichen, aber auch orthodoxer Denker, sieht mit der Schoah einen qualitativen Bruch, ein Geschehen, das sich von den bisherigen Verfolgungen der Juden nicht nur dem quantitativen Ausmaß nach unterscheidet. Solche Denker sehen deswegen auch die Notwendigkeit, das jüdische Selbstverständnis als Individuum wie als Nation neu zu überdenken, zu überlegen, wie jüdisches Leben nach diesem grundstürzenden Ereignis neu zu rechtfertigen, zu bauen, zu planen und zu stärken sei. Der Genozid, der ein Drittel der jüdischen Weltbevölkerung auslösche und bis zu 80 Prozent der religiös-rabbinischen Elite, musste eine kritische Neubewertung für Politik, Theologie, Philosophie, jüdische Identität und die nötige Zukunftsgestaltung der Verfasstheit des jüdischen Volkes auslösen. Es galt die grundlegende Frage zu stellen, ob das Judentum nach diesem furchtbaren Morden noch eine Zukunft als eigene religiöse oder kulturelle Entität haben kann, und wenn ja, wie diese zu sichern sei.
Diese beiden das Denken grundsätzlich herausfordernden so unterschiedlichen Ereignisse, das eine positiv, das andere negativ, wurden von vielen der hier vorgestellten Denker im Nachhinein als eine dialektische Einheit begriffen, sei es, dass die Schoah das Anliegen des Zionismus rechtfertigt, sei es in dem Sinne, dass der Zionismus - vor allem dessen Krönung in der Staatsgründung Israels - nach der Schoah der einzig verbliebene Rettungs- und Hoffnungsanker der Überlebenden Individuen und des Volkes Israel als Ganzem sei - dies durchaus auch mit religiösen und heilsgeschichtlichen Übertönen.
Die Gründung eines jüdischen Staates nach 2000 Jahren Exil hat insbesondere nach dem bloßes Entsetzen und Starre auslösenden Genozid am europäischen Judentum nicht nur für die in diesen Staat Israel geflohenen oder eingewanderten Juden eine Neujustierung des jüdischen Selbstverständnisses erfordert, sondern für die gesamte Diaspora, die jetzt nicht mehr Exil genannt zu werden braucht.
Das gesamte jüdische Denken im zwanzigsten Jahrhundert muss daher in ein Denken vor Schoah und Staatsgründung und ein solches danach unterschieden werden. Diese beiden Ereignisse sind wie eine Wasserscheide, wie ein tiefer Graben, selbst wenn manche orthodoxen Kreise dies nicht so sehen mögen. Aber immerhin haben die Ereignisse der Schoah auch bei vielen orthodoxen Antizionisten ein Umdenken bewirkt, so dass es nur ganz kleine ?asidische Gruppen oder die sogenannten Neture Karta (Hüter der Stadt) sind, deren Antizionismus sich bis heute als eine aktive Gegnerschaft gegen den neugegründeten jüdischen Staat ausdrückt. Aber gerade auch diese Haltung hat durch die beiden Ereignisse eine neue Bedeutung bekommen, die oft tragische Züge annimmt.
Nachdem im Jahre 1948 das zionistische Ziel der Staatsgründung erreicht worden war, erhob sich natürlich die Frage, ob sich der Zionismus als politisch-ideologische Bewegung erübrigt hat und seine Weiterführung bis in die Gegenwart noch gerechtfertigt sei, oder ob es noch ausstehende Vorhaben zu erarbeiten gebe. Die Antwort auf diese Frage ist je nach ideologischer Ausrichtung oder Parteizugehörigkeit der Disputanten umstritten.
Schoah und Staatsgründung sind Ereignisse, die chronologisch im Wesentlichen zu all jenen Autoren und Denkern gehören, die im 20. und 21. Jahrhundert sich Gehör verschafften und die zunächst allesamt im vierten Band des …


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