Untertitel:
Entwicklung und Perspektiven eines neuen Politikfeldes
Genre:
Arbeits-, Wirtschafts- & Industriesoziologie
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Erscheinungsdatum:
08.03.2018
Die Debatte um einen Fachkräftemangel in Deutschland reißt nicht ab. In den letzten zehn Jahren hat kaum ein anderes Thema die arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Debatten so stark bestimmt und zum Nachdenken über die Zukunft der Arbeit herausgefordert. Sven Rahner legt nun die bislang erste umfassende politikwissenschaftliche Studie zum Thema vor. Das Buch liefert Vorschläge zum Umgang mit drängenden Zukunftsfragen und entwirft Strategien für den digitalen und demografischen Wandel.
Autorentext
Sven Rahner, Dr. rer. pol., arbeitet in der Grundsatzabteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Thema »Zukunft der Arbeit«.
Leseprobe
I. Fachkräftemangel und Zukunftschancen des deutschen Modells 1. Einleitung Es ist ein Donnerstagvormittag im Mai 2015 als der Blick auf die Nach-richtenlage für größeres Erstaunen bei einigen Referenten in der Grund-satzabteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sorgt. Es sind die folgenden beiden Schlagzeilen, deren nahezu zeitgleiche Präsentation irritiert: Während die Nachrichtenagentur dpa-AFX die Meldung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) vom Fehlen von mehr als 137.000 Technikern, IT-Spezialisten und Mathematikern in der deutschen Presselandschaft verbreitet, lässt das Statistische Bundesamt (Destatis) via Pressemitteilung nüchtern wissen: "6 Millionen Menschen wollen (mehr) Arbeit" (Destatis 2015a; FAZ online 2015; IW 2015: 63). Das Beispiel verdeutlicht: Der deutsche Arbeitsmarkt ist gehörig in Bewegung. Wissenschaftliche Beobachter sprechen von einer "Zeitenwende auf dem Arbeitsmarkt" (Hinte/Zimmermann 2013), inmitten der wir uns befinden. Verbindungslinie zahlreicher Einschätzungen und Kontroversen zum Strukturwandel der Arbeit ist die Frage nach der aktuellen und zukünftigen Zahl, Verfügbarkeit und Entwicklung von Fachkräften für den deutschen Arbeitsmarkt. Nicht zuletzt die hohe Medienresonanz hat aus dem Thema Fachkräftemangel ein zentrales Thema der öffentlichen Auseinandersetzung gemacht. Nicht selten ist diese aufgrund komplexer sozialer und ökonomischer Wechselwirkungen und der starken interessenpolitischen Aufladung der Fachkräftefrage auch von einer großen Widersprüchlichkeit begleitet. 10.565 ist die beeindruckende Zahl, die das Pressearchiv des Deutschen Bundestages auf die Suchanfrage nach der Anzahl der Presseartikel in den letzten zehn Jahren zum Begriff Fachkräftemangel in überregionalen Medien zu Tage fördert. Es gab seit 2007 kaum ein anderes Thema, das die arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Debatten in dieser Weise dominierte und die politischen Akteure des deutschen Wirtschafts- und Sozialmodells zur Positionierung sowie zum Nachdenken über den Wandel und die Zukunft der Arbeit herausgefordert hat. Das diskursmächtige Schlagwort vom Fachkräftemangel liegt somit im direkten Vergleich im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 1. Januar 2017 deutlich vor politischen Begriffen wie z. B. TTIP (7.288), Exportüberschuss (1.762) oder Haushaltskonsolidierung (7.025). Auch debattenprägende Schlüssel- oder Fahnenwörter wie z. B. Agenda 2010 (10.497), Rente mit 67 (8.305), Abwrackprämie (5.360), Leitkultur (2.579), Kopfpauschale (2.604) oder Industrie 4.0 (2.160) erreichen eine niedrigere Aufmerksamkeit in überregionalen Printmedien. Lediglich Begriffe wie Energiewende (31.271) oder Hartz IV (37.344) erreichen deutlich höhere Werte. Es deutet zudem vieles darauf hin, dass das Thema auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in den Personalabteilungen von Unternehmen, den Strategieabteilungen von Kammern, Gewerkschaften, Verbänden und der Bundesagentur für Arbeit (BA) unverändert aktuell bleiben wird (DIHK 2017: 17; IG Metall 2014b; BDA 2015a; FAZ online 2016; BMAS 2017a; Handelsblatt 2017b: 8; Süddeutsche Zeitung 2017: 6; Tagesspiegel 2017: 15). Nach den Ergebnissen einer Betriebs- und Be-schäftigtenbefragung im Auftrag des BMAS beklagt jeder vierte Betrieb Schwierigkeiten bei Stellenbesetzungen (BMAS 2015d: 6). 61 Prozent der Personalverantwortlichen erwarten zudem Probleme bei der Personalsu-che. Fachkräfteengpässe sind damit mit großem Abstand vor Fehlzeiten, Lohnkosten und Überalterung der Belegschaften unter sämtlichen Be-triebsgrößen das am häufigsten genannte zukünftige Personalproblem (ebd.). Auch in der Bevölkerung herrscht ein ausgeprägtes Bewusstsein für den strategischen Stellenwert der Fachkräftesicherung: Einer repräsentati-ven Bevölkerungsumfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid zufolge gaben 90 Prozent der Befragten im Februar 2013 an, dass es aus ihrer Sicht "für den Wohlstand in Deutschland" sehr wichtig (51 Prozent) oder wichtig (39 Prozent) ist, dass es "genügend Fachkräfte in den einzel-nen Branchen der Wirtschaft gibt" (BMAS 2013c: 65). Gleichzeitig bestimmen zunehmend Fragen der Digitalisierung von Arbeit und Wirtschaft sowie die Folgen der "Flüchtlingskrise in Europa" die öffentlichen Debatten. Zentrale Zukunftsfragen, die ohne eine profunde Antwort auf die Fachkräftefrage nicht zu lösen sein werden (vgl. Sachverständigenrat Wirtschaft 2017: 360 ff.; vgl. Dengler/Matthes 2015; vgl. Brücker u. a. 2015). Auch die beispielsweise von Sigmar Gabriel in seiner Funktion als Bundeswirtschaftsminister im Juni 2015 geäußerte Hoffnung, die Digitalisierung könne dabei helfen, den erhöhten Fachkräftebedarf "ein bisschen untertunneln [zu] können" (Bundesregierung 2015b) trügt, wie Albrecht/Ammermüller (2016) zu Recht betonen: "Viele Tätigkeiten im Pflege- und Gesundheitsbereich sind in absehbarer Zukunft nicht automatisierbar und sollten es zum Teil auch nicht sein. Im technischen, vor allem im IT-Bereich, werden sich die Engpässe durch eine steigende Nachfrage eher noch erhöhen" (Albrecht/Ammermüller 2016: 45). Vieles spricht daher dafür, dass der Trend der Digitalisierung der Wirtschaft viel weniger Arbeitsplatzverluste, sondern vielmehr den Wandel der erforderlichen Qualifikationen und die Wertigkeit von Arbeit und damit eine erhöhte Nachfrage nach Fachkräften zur Folge haben dürfte. Diesen Aspekt unterstreicht auch David Autor in seiner Analyse der Geschichte der Automatisierung in den USA: "Focusing only on what is lost misses a central economic mechanism by which automation affects the demand for labor: raising the value of the tasks that workers uniquely supply" (Autor 2015: 5). Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes von Januar 2016 kann der Trend zur zunehmenden Alterung der Bevölkerung auch nicht durch die aktuell hohe Zuwanderung umgekehrt werden. Die anhaltenden Migrationsströme können zwar das Tempo und Ausmaß des demografi-schen Wandels abmildern, ihn jedoch nicht verhindern. Selbst im Falle eines Wanderungsgewinns von 8,5 Millionen Personen bis 2040 würde die Altersgruppe der 20- bis 66-Jährigen um fünf Millionen Menschen ab-nehmen (Destatis 2016). Ohnehin weisen die Wiesbadener Statistiker darauf hin, dass in der bundesdeutschen Zuwanderungsgeschichte seit jeher auf Phasen einer starken Zuwanderung stets verstärkte Abwanderung folgte (ebd.). Die folgende Abbildung 1 verdeutlicht auf Grundlage der 13. koordi-nierten Bevölkerungsvorausrechnung die starke Prägekraft der demografi-schen Entwicklung in Deutschland: Eine Zuwanderung von 300.000 Personen kann das Ausmaß des Rückgangs der Bevölkerung ab 2030 signifikant beeinflussen, die Schrumpfung der Bevölkerung jedoch nicht vollständig aufhalten (Destatis 2015b: 22). Ein angenommener Anstieg der Geburtenrate auf 1,6 Kinder je Frau könnte sich ab den 2040er Jahren stabilisierend auf die Bevölkerungsentwicklung auswirken. Ausgangspunkt der Modellrechnung des Statistischen Bundesamtes sind zwei Varianten, die einen Korridor der erwarteten Entwicklung abgrenzen (Destatis 2015b: 5). Beide Varianten gehen von der Fortsetzung langfristiger demografischer Trends und damit einer "annähernd konstanten jährlichen Geburtenhäu-figkeit" sowie eines "Anstiegs der Lebenserwartung um 7 (Männer) bezie-hungsweise 6 Jahre (Frauen)" aus (ebd.). …
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