Robert Musil und James Joyce: Das Leib-Seele-Problem als kreativer Ansporn in "Törless" und "A Portrait of the Artist": Vergleichende Untersuchung mit Ausblick auf das spätere Werk

Robert Musil und James Joyce: Das Leib-Seele-Problem als kreativer Ansporn in "Törless" und "A Portrait of the Artist": Vergleichende Untersuchung mit Ausblick auf das spätere Werk

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783956844867
Untertitel:
Deutsch
Genre:
Allgemeine & vergleichende Sprachwissenschaft
Autor:
Cornelia Pechota
Herausgeber:
Bachelor + Master Publishing
Auflage:
Erstauflage
Anzahl Seiten:
52
Erscheinungsdatum:
2014
ISBN:
978-3-95684-486-7

Robert Musil (1880-1942), der Rationales und Irrationales nicht als unversöhnliche Gegensätze begriff, sondern beide Dimensionen aus wissenschaftlicher Sicht dichterisch miteinander verknüpfte, schildert in seinem ersten Roman Die Verwirrungen des Zöglings Törless (1906) geistige und körperliche Grenzüberschreitungen, die den Protagonisten dazu führen, Dinge, Vorgänge und Menschen als etwas Doppelsinniges zu empfinden . Das so entstandene Spannungsfeld fördert in Törless eine kreative Betrachtungsweise, die sich von der anerzogenen Moral distanziert, dafür aber eine Selbstfindung ermöglicht, die unbewusste Zonen integriert und ihnen deshalb nicht zu verfallen braucht. In der Konzentration auf die Innerlichkeit eines Jugendlichen mit Törless vergleichbar, lässt der Entwicklungsroman A Portrait of the Artist as a Young Man (1916) den stolzen Stephen Dedalus einen Weg beschreiten, der sein Selbstbewusstsein stärkt und ihm neue Perspektiven eröffnet. Anders als Robert Musil spiegelt James Joyce (1882-1941) in seinem irischen Helden jedoch eine traditionelle Dichotomie katholischer Prägung, die seiner Dichtung ebenso eigen ist wie ihre stilistischen Erneuerungen. Diesen gegenläufigen Tendenzen bei Musil und Joyce hat die Autorin im Frühwerk der beiden Schriftsteller nachgespürt, um ihren Umgang mit dem Leib-Seele-Problem sichtbar zu machen.

Autorentext
Cornelia Pechota, Dr. phil., geboren in Zürich, lebt seit 1971 in Genf. Nach langjähriger Tätigkeit als diplomierte Übersetzerin, Herausgeberin und Redakteurin studierte sie Germanistik, Anglistik und Assyriologie an der Genfer Universität. Mit der Magisterarbeit über Robert Musil und James Joyce schloss sie 1995 ihr Studium ab. 2003 promovierte sie an der Universität Lausanne in Germanistik. Auf die Publikation ihrer Dissertation O Vater, laß uns ziehn! Literarische Vater-Töchter um 1900. Gabriele Reuter, Hedwig Dohm, Lou Andreas-Salomé (2005) folgte die vergleichende Studie Heim und Unheimlichkeit bei Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé. Literarische Wechselwirkungen (2010). Zur Neuedition von Lou Andreas-Salomé: Henrik Ibsens Frauen-Gestalten (2012) verfasste sie die Kommentare und das Nachwort. Beteiligt an Jahrbüchern und Zeitschriften (Blätter der Rilke-Gesellschaft, Nietzsche-Forschung, Entwürfe, Kultursoziologie) und Sammelbänden. Weitere Informationen unter http://www.cpv-intertext.com.

Leseprobe
Textprobe:
Kapitel 2.2, Das religiöse Klima bei Robert Musil und James Joyce:
2.2.l, Dichterische Konzeptionen zwischen Glauben und Erkenntnis:
Während sich Musil der Literatur als Wissenschaftler nähert, hat Joyce eine sakramentale Auffassung von Kunst, die in der Kultur des Mittelalters wurzelt. Viele Schrift-steller waren gläubiger als er, aber wenige haben sich wie er als ein Gott gefühlt, der eine Welt ins Leben ruft. Sheldon Brivic nennt Joyce the theologian of fiction und weist darauf hin, dass er bereits in A Portrait eine Ansicht vertritt, die ihre volle Bedeu-tung in Finnegans Wake erlangt, wo er in einem Traum den Erdball und seine Geschichte schildert: It was very big to think about everything and everywhere. Only God could do that (P 16).
Solche Allmachtsphantasien fehlen bei Musil. Sein Törless entfremdet sich wie Stephen von Kindheit und Herkunftsfamilie, doch sucht er als Ersatz nicht so sehr künstlerische Inspiration für ein zukünftiges Werk als eine neue Erfahrung und Erprobung der Wirk-lichkeit. Dass auch Musils Dimension dichterisch produktiv wird, liegt an der psychischen Doppelanlage seines Protagonisten, der sich reflektierend selber entdeckt. Türlos in seinem Inneren gefangen, versucht er dieser dualistischen Wahrnehmung gerecht zu werden. Wie Ulrich in Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften anerkennt er zwei gegensätzliche Weisen, sich zur Welt zu verhalten: einerseits das logisch-kausale, verknüpfende Denken, das die geistige Welt des modernen Menschen kennzeichnet, andererseits aber auch eine alogische, akausale Denk- und Ausdrucksweise, die sich vornehmlich in Bildern und Gleichnissen bewegt. Ulrich spricht von zwei Geistesverfassungen, die einander nicht nur bekämpfen, sondern die gewöhnlich [...] nebeneinander bestehen, ohne ein Wort zu wechseln, außer dass sie sich gegenseitig versichern, sie seien beide wünschenswert, jede auf ihrem Platz (MoE 248). Was aber Musils Protagonisten suchen, ist ein Gleichgewicht dieser beiden Pole: Ein Mann, der die Wahrheit will, wird Gelehrter; ein Mann, der seine Subjektivität spielen lassen will, wird vielleicht Schriftsteller; was aber soll ein Mann tun, der etwas will, das dazwischen liegt? (MoE 254)
Das Reich solcher Essayisten und Meister des innerlich schwebenden Lebens [...] liegt zwischen Religion und Wissen, zwischen Beispiel und Lehre, zwischen amor intellectualis und Gedicht, sie sind Heilige, die sich in einem Abenteuer verirrt haben (MoE 254).
Während sich die Suche nach einer taghellen Mystik im Mann ohne Eigenschaften über den Gesprächs-Eros ein Ventil schafft, das den Geschwistern Ulrich und Agathe ermöglicht, ihre Erfahrungen auszutauschen, bleibt Törless fast autistisch in einer Subjektivität gefangen, deren Gespaltenheit nach symbolhaftem Ausdruck ringt , von seiner Umwelt jedoch nicht verstanden wird. Es kommt bei ihm zu keinem menschlichen Austausch auf gleicher Ebene, doch bejaht er seine innere Einsamkeit, die für ihn den Reiz eines Weibes und einer Unmenschlichkeit hat (T 25). Wo aber bewusste Weltflucht und anderer Zustand bei Ulrich und Agathe zu mystischen Höhenflügen führen, weist Törless als Monsieur le vivisecteur alle Spekulationen und Mystifikationen von sich und reduziert das menschliche Innenleben immer wieder auf die erfahrbare Wirklichkeit. Er gelangt so zwar nur zu bescheidenen und beschränkten Resultaten, errichtet aber keine gedanklichen Pseudosysteme. Törless, dem noch nicht das Wissen eines Ulrichs zur Verfügung steht, greift auf seine eigene Subjektivität zurück, um seine Verwirrungen zu klären. In seinem Nachruf auf Robert Musil bezeichnet Hermann Broch Törless als Musils Werther. Der Kult der Einsamkeit und des Unverstandenseins ist tatsächlich beiden gemeinsam, aber Monsieur le vivisecteur , der den Zögling Törless, den Verstandesmenschen Thomas, den Mathematiker Vinzenz, den Geologen Homo, den jungen Chemiker der Erzählung Tonka und den Möglichkeitsmenschen Ulrich präfi


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