Genre:
Sozialpädagogik, Soziale Arbeit
Erscheinungsdatum:
08.07.2009
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Medial vermittelte Lernprozesse werden zunehmend Teil der Grundsozialisation eines jeden Menschen und es lassen sich Erziehungs- bzw. Sozialisationsprozesse immer weniger ohne Bezug zu Medien denken. Weniger soll es hier jedoch um die praktische Handlungsorientierung medienpädagogischer Arbeitsfelder gehen, sondern vielmehr um eine theoretische Reflexion oftmals unhinterfragter vermeintlicher Gewissheiten. Soziale Arbeit, verstanden als ausführender Arm staatlich gelenkter Interessensdurchsetzung, wird an der angestrebten Professionalisierung scheitern, wenn sie nicht durch Selbstbewusstsein zu sich findet und eigene Wege nicht nur erkennt und aufzeigt, sondern auch selbstreferentiell daran arbeitet und somit eigene Theoriebildung vorantreibt. Für den Bereich der Medienpädagogik oder der Medienbildung bedeutet dies, keinen Rückschritt hinter technische und zivilisatorische Errungenschaften durch Zensurversuche oder Bewahrpädagogik zu forcieren und auch nicht in der Regression von scheinbar harmonischer Natur und nachbarschaftlicher Gemeinschaft aufzugehen. Mit der von mir intendierten Begriffswahl der 'ideologiekritischen Medienbildung' stellt sich die Frage nach dem Deutungskontext in Abgrenzung zur Medienkompetenz, der bereits weitgehend systematisch aufgearbeitet ist und in diesem Feld generelle Verwendung findet. Der von mir eingenommene Fokus auf die Bildung als informellem und selbstreflexivem Lernprozess von Mündigkeit und Autonomie verlangt eine Akzentuierung der Aneignungsprozesse, hier der einer 'Bildung durch Medien'. Medienbildung bezeichnet daher nicht eine Form der Medienrezeption, sondern die Art und Weise, wie der Mensch mit dem medienvermittelten Gegenstand umgeht. Medienbildung geht also erweiternd und ergänzend über das 'Bilden für Medien', die Medienkompetenz, hinaus.
Leseprobe
1. Einleitung[1]
März, 2009: In der baden-württembergischen Kleinstadt Winnenden tötet ein 17-jähriger Junge 15 Menschen, darunter sind die meisten Opfer Schüler aus seiner alten Schule. Innerhalb weniger Stunden sind mehr als 200 Reporter für Fernsehstationen aus aller Welt an dem Ort des Geschehens versammelt. Die Medien berichten wochenlang über mögliche Hintergründe und Ursachen dieser Tat. Der Täter soll regelmäßig Gewalt darstellende Computerspiele konsumiert haben. Innerhalb einer Woche nach der Tat wurden allein im Land Baden-Württemberg 56 Delikte registriert, die aufgrund von Ankündigungen einer ähnlichen Bluttat zur Anzeige gegen Trittbrettfahrer führten. Die facettenreiche und globalisierte Medienlandschaft exemplifiziert sich anschaulich an diesem Beispiel. Aktuell und in drastischer Deutlichkeit zeigt sich hier ein erstmal abstrakt vermittelter Einfluss der Medien, sei es in der Verarbeitung der aktuellen Ereignisse oder in dem spielerischen Umgang mit ihren multimedialen Formen wie der des Computerspiels. Eines wird auch in der auf die Tat folgenden hilflosen Diskussion um das Verbot so genannter Killerspiele deutlich: eine fundierte Medienbildung wäre von Nöten, um den Wandel lebensweltlicher Erfahrungen nicht nur von Kindern und Jugendlichen neu zu erfassen, denn Medien spielen eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung der Welt, für die Entstehung von Weltbildern und folglich für die politische und kulturelle Praxis. Medial vermittelte Lernprozesse werden zunehmend Teil der Grundsozialisation eines jeden Menschen und es lassen sich Erziehungs- bzw. Sozialisationsprozesse immer weniger ohne Bezug zu Medien denken. Weniger soll es hier jedoch um die praktische Handlungsorientierung medienpädagogischer Arbeitsfelder gehen, sondern vielmehr um eine theoretische Reflexion oftmals unhinterfragter vermeintlicher Gewissheiten. Soziale Arbeit, verstanden als ausführender Arm staatlich gelenkter Interessensdurchsetzung, wird an der angestrebten Professionalisierung scheitern, wenn sie nicht durch Selbstbewusstsein zu sich findet und eigene Wege nicht nur erkennt und aufzeigt, sondern auch selbstreferentiell daran arbeitet und somit eigene Theoriebildung vorantreibt. Für den Bereich der Medienpädagogik oder der Medienbildung bedeutet dies, keinen Rückschritt hinter technische und zivilisatorische Errungenschaften durch Zensurversuche oder Bewahrpädagogik zu forcieren und auch nicht in der Regression von scheinbar harmonischer Natur und nachbarschaftlicher Gemeinschaft aufzugehen. Ein theoretischer Unterbau und eine Einführung in die Medientheorien erscheinen mir daher als Basis für das Verständnis und bei der Beantwortung einer Frage zu Medienkompetenz oder Medienbildung unerlässlich. So habe ich meinen Schwerpunkt auf die Theorien gelegt und auf das Handwerkszeug, das eine Entwicklung zur Medienkompetenz und -bildung erst zulässt. Der Vermittlung einer reflexiv-kritischen Medienbildung, und diese sei als anzustrebende Grundlage sozialpädagogischen Handelns gesetzt, hat eine praktische und theoretische Medienkritik vorauszugehen. Den Schwerpunkt legen möchte ich daher auf die kritische Medientheorie, die Rezeption und den Umgang mit der Kulturindustrie-These als dem zentralen Referenzpunkt in der Auseinandersetzung mit Medien im Spannungsfeld von Manipulation und Emanzipation, die das globale und zugleich ausdifferenzierte Netzwerk der Kulturvermittlung in der gegenwärtigen Gesellschaft bezeichnet. In dem einflussreichen und begriffsprägenden Kapitel Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug aus der Dialektik der Aufklärung wird von Horkheimer und
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